Gesellschaft | Autonomiekonvent

"Wir wollen im Grunde alle dasselbe"

Der dritte Open Space ist Geschichte. Zwei, die am Samstag daran teilgenommen haben, berichten von ihren Eindrücken. Was war anders in Meran?

Schon die offizielle Pressemitteilung des Landtags lässt durchblicken: Der dritte Open Space zum Autonomiekonvent, jener in Meran, war anders. Anders als die bisherigen zwei in Bozen und Bruneck. Von diesen bleibt vor allem die starke Präsenz von Vertretern aus dem rechten deutschsprachigen Parteienspektrum sowie aus den patriotischen Kreisen in Erinnerung. So stark, dass sich der ehemalige Chefredakteur des Alto Adige Paolo Campostrini in seinem Leitartikel in der Montagausgabe (8. Februar) die Frage stellt: “Convenzione o adunata degli Schützen?


Anders und doch nicht?

Die Themen, die in Bozen und Bruneck die Diskussion beherrschten – Selbstbestimmung, Voll-, Finanz- und Sportautonomie, Schule, Toponomastik, Europaregion Tirol usw. –, standen am vergangenen Samstag auch in Meran auf dem Plan. Darüber hinaus wurden gleichzeitig ganz neue Vorschläge von den Teilnehmenden eingebracht: bedingungsloses Grundeinkommen, die Bedürfnisse mehrsprachiger Familien, sozialer Wohnbau, Kulturarbeit, Pensionen für Mütter und viele mehr. Und auch das Feld der Teilnehmer selbst war um einiges vielfältiger als auf den beiden Open Spaces davor. “Besonders gefreut hat mich die Anwesenheit vieler junger Erwachsener”, wird Landtags-Vizepräsident Roberto Bizzo in der offiziellen Aussendung zitiert. Einer dieser jungen Erwachsenen, die sich am Samstag Vormittag in der Fachoberschule für Tourismus und Biotechnologie “Marie Curie” einfanden, ist Raphael Palla. Er bestätigt: “Wir waren eine sehr heterogene Gruppe, Frauen und Männer, Junge und Alte, politisch Engagierte und nicht, Deutsch- und Italienischsprachige.” Aufgefallen sei aber vor allem eine Gruppe: Jene, die Roberta Ciola die “Nicht-Menschen” nennt. Auch Ciola war am Samstag dabei. Und berichtet von einer “kleinen Armee”, die aufmarschiert sei – “organisiert und vorbereitet, um politische Ideen bestimmter Gruppierungen, nämlich der extremen deutschen Rechten” vorzubringen.

Die Themen des Open Space in Meran. Foto: Facebook/Autonomiekonvent-Convenzione sull'Autonomia

“Mit diesen Leuten war es unmöglich zu diskutieren”, erinnert sich Ciola. Sie selbst ist einem dieser “Nicht-Menschen” im Workshop ‘Friedliches Zusammenleben’ begegnet. Den hat sie frühzeitig verlassen: “Dialog hat keiner stattgefunden. Und an einem gewissen Punkt wurde von ‘den Italienern’ im Land gefordert, sich geeint gegen die faschistischen Denkmäler auszusprechen. Es war richtig unsympathisch. Als ich gemerkt habe, dass hier jemand die gesamte Diskussion monopolisiert und instrumentalisiert, war es für mich Zeit, auszusteigen.”


Die Richtung: nach vorne

Weniger bedrückend hat Raphael Palla die Anwesenheit einer doch kompakten Gruppe mit eindeutigen politischen Interessen empfunden. Er selbst hat sich bevorzugt anderen Themen, wie nachhaltige ökologische Landwirtschaft und soziale Exklusion, gewidmet. “Denn das sind Themen, um die es in Zukunft wirklich gehen wird”, ist er überzeugt. Auch Roberta Ciola, die wie Palla aus einem zweisprachigen Umfeld kommt, beschäftigt sich lieber mit nach vorne gerichteten Ideen. “Mit dieser Motivation bin ich zum Open Space, der ja ein partizipativer Prozess sein soll, hin gegangen. Die Menschen aus der Zivilgesellschaft waren aufgefordert, frei heraus ihre Ideen, Geschichten und Eindrücke einzubringen.” Mit der geballten Ladung an politisch vorgefertigten Argumenten und Themen habe sie nicht gerechnet.

Doch ist sie keineswegs enttäuscht aus der Veranstaltung gegangen. “Im Gegenteil, ich bin froh, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, sich in einem solchen Rahmen auszutauschen und ihre Meinungen zur Neuschreibung des Autonomiestatuts einzubringen.” Raphael Palla sieht das genauso: “Am Samstag sind Menschen zusammen gekommen, die sich ansonsten nie treffen würden. Und wenn die Diskussion so weitergeht, dann werden wir irgendwann draufkommen, dass wir im Grunde dasselbe wollen.” Nämlich? “Kommunikation, Plätze, wo wir uns über uns selbst und unser Südtirol austauschen können. Abseits der politischen und medialen Diskurse.” Er ist der festen Überzeugung, dass sich “von oben” nichts ändern werde. “Daher glaube ich, es ist wichtig, jede Chance zu nutzen, die wir bekommen, um selbst Hand anzulegen”, sagt Palla. Er hat sich bereits für das Forum der 100 registriert, in dessen Arbeit die Ergebnisse der Open Spaces einfließen werden. Auch Roberta Ciola denkt über eine Teilnahme am Forum der 100 nach. Sie befürchtet, dass dort die “Nicht-Menschen” massiv die Überhand über die Diskussion gewinnen könnten. Diese will sie ihnen nicht überlassen. Zuversichtlicher ist da schon ihr jüngerer Mitbürger Palla: “Es ist prinzipiell die Frage, was und ob überhaupt etwas herausschaut. Aber ich glaube fest an die Menschen und die Kommunikation zwischen ihnen.”