Gesellschaft | Unterricht

Zeit für Geschichte

Den Vorwurf, zeitgeschichtliche Themen würden im Geschichtsunterricht “wenig bis gar nicht” behandelt, lässt Landesrat Achammer nicht gelten: “Es passiert sehr viel!”

Was passiert im Geschichtsunterricht an den Südtiroler Oberschulen? In welchem Umfang wird etwa die Zeitgeschichte behandelt? “Die gängige Meinung ist: wenig bis gar nicht”, hat Philipp Achammer festgestellt. Aus diesem Grund und weil das Thema zeitgeschichtlicher Unterricht immer wieder Gegenstand von Diskussionen, auch politischer Natur, sei, wollte der Bildungslandesrat auf einer Pressekonferenz am Donnerstag die Gelegenheit nutzen, um aufzuzeigen, “was wirklich passiert”. “Sehr viel”, wird der Landesrat am Ende der Pressekonferenz sagen.

Bereits die Rahmenrichtlinien des Landes im Bereich Schule sehen vor, dass im Geschichtsunterricht ein besonderer Schwerpunkt auf den Gegenwartsbezug gelegt werden soll. In der Abschlussklasse der Oberschule steht darüber hinaus die Zeitgeschichte bis hin zu den aktuellsten Geschehnissen im Vordergrund. Soweit die Voraussetzungen für den zeitgeschichtlichen Unterricht. Wie aber sieht die Realität aus? Landesrat Achammer bezieht sich auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2014, in der ein damalige Schulinspektor den Geschichtsunterricht in 137 Oberschulklassen unter die Lupe genommen hat. “In allen wird die Geschichte Südtirols behandelt, und nur in 13 endet das Unterrichtsprogramm beim Zweiten Weltkrieg”, zitiert Achammer aus der Studie. Eine weitere wissenschaftliche Arbeit von 2010 hat sich mit den Themen des Geschichtsunterricht in 111 Maturaklassen Südtirols beschäftigt. Das Fazit: Es werde eindeutig aufgezeigt, dass “die in der Öffentlichkeit mitunter vorgebrachten Vorwürfe an den Geschichtsunterricht unangebracht sind: Die Geschichte Südtirols vom Ersten Weltkrieg über Faschismus, Option, Zweiten Weltkrieg, 1. und 2. Autonomie, nimmt einen breiten Raum ein”.

Es sei eine “sehr komplizierten Aufgabe für die Schulen”, einen modernen Geschichtsunterricht zu gewährleisten, sagt Schulamtsleiter Peter Höllrigl, bei der Pressekonferenz mit anwesend. Denn es gehe nicht um das reine Rezipieren von Inhalten: “Wir verlangen mehr als das Widergeben von Daten, Fakten und Zahlen.” Nämlich? “Entwicklungen aufzeigen, Vergleiche anstellen, Folgen und Auswirkungen berücksichtigen, Zusammenhänge erkennen, Forschen, Recherchieren und Präsentieren.” Um einen differenzierten und vielfältigen Zugang zu zeitgeschichtlichen Themen zu schaffen, bekommen Lehrer und Schulen Unterstützung vom Bildungsressort. Walter Pichler ist dort im Bereich Innovation und Beratung tätig und berichtet am Donnerstag über die diversen Initiativen, Angebote und Möglichkeiten, die das Bildungsressort bereitstellt. Darunter den Historypool, eine digitale Plattform für Lehrpersonen mit Lernmaterialien für den Geschichtsunterricht an Oberschulen, die auch vom Lehrpersonal selbst online gestellt werden können.

Und man ist bereits am Weiterdenken: Im Bildungsressort bastelt man derzeit zum Beispiel an Materialien zur Dokumentationsausstellung im Siegesdenkmal und zum 3. Band des sprachgruppenübergreifenden Geschichtsbuch “Übergänge und Perspektiven”. Ein besonderer Schwerpunkt soll laut Achammer im kommenden Schuljahr das Thema Autonomiegeschichte sein. Das entsprechende Maßnahmenpaket sieht Workshops mit Persönlichkeiten aus Medien, Politik und Gesellschaft vor, eine Autonomieführung auf Schloss Tirol und einen Fokus auf politische Bildung als fächerübergreifende Kompetenz.