Politik | Toponomastik

„Ich schäme mich“

Reinhold Messner über die absurde Toponomastikdebatte, die Gefährlichkeit des Populismus, den Völkischen Kampfring und die Lösung für seine Museen.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Salto.bz: Herr Messner, wenn Sie im Ausland die Südtiroler Toponomastik-Diskussion erklären müssen, was sagen Sie?
 
Reinhold Messner: Ich kann nur sagen, dass ich mich für die ganze Geschichte schäme. Wenn wir Südtiroler nicht in der Lage sind, dieses kleine Problem zu lösen, dann ist uns nicht mehr zu helfen. Wir reden hier nicht von einer überlebenswichtigen Frage, sondern von einem kleinen, politischen Problem, das schon ewig ansteht. Jetzt hat die Politik, federführend Francesco Palermo, endlich eine Schlussstrich ziehen wollen und dann passiert das.
 
Sie wundern sich?
 
Ja. Man muss sich vorstellen: über 100 Parlamentarier, die gegen die Lösung von Palermo stänkern. Da frage ich mich schon, ob die überhaupt eine Ahnung von Südtirol haben und ob die unsere Sondersituation überhaupt verstehen. Ich bin überzeugt, dass sich kein normaler Mensch und Italiener daran stören wird, dass die Tschampertuner Wiesen, das ist eine Alm in Vilnöss, so heißen. Das ist sowieso nur eine lokale Bezeichnung, die diejenigen benutzen, die dort leben oder hinaufgehen.
 
Sie verteidigen die geplante politische Lösung?
 
Absolut. Ich habe mich bereits offen für den Durnwalder-Fitto-Vorschlag ausgesprochen und ich finde den Kompromiss, den Palermo und Zeller ausgehandelt haben, mutig und richtig. Ich denke, jetzt reicht's endlich. Wir geben den italienischen Südtirolern die Möglichkeit, sich auch mit ihren Namen in diesem Land beheimatet zu fühlen. Und dann bricht dieser Sturm los.
 
Haben Sie eine Erklärung für diese Reaktionen?
 
Das ist reinster Populismus, weil einige glauben, politisches Kapital daraus zu schlagen und ein paar Stimmen zu gewinnen. Es sind immer dieselben Leute: Urzi, Biancofiore und jetzt anscheinend auch Bizzo. Dazu kommt, dass auf der deutschen Seite die völkischen Kräfte aufspringen. Das Ergebnis: Die italienischen Nationalisten und die Deutschvölkischen prallen wie wilde Stiere aufeinander. Es ist fürchterlich. Nach so vielen Jahren des Bemühens um ein friedliches Zusammenleben, um gleiches Heimatrecht für alle, ist das eine Peinlichkeit sondergleichen. Jeder Normaldenkende müsste eigentlich aufstehen und sagen: Jetzt reicht's.
„Nach so vielen Jahren des Bemühens um ein friedliches Zusammenleben, um gleiches Heimatrecht für alle, ist das eine Peinlichkeit sondergleichen.“
Sie sagen: Die Politik missbraucht das Thema?
 
Natürlich. Das Ganze ist völlig grundlos. Weder die deutschen noch die italienischen Südtiroler scheren sich wirklich um dieses Thema. Es wird ausschließlich als politisches Spiel gewisser Kräfte benutzt. Das ist ja das Schlimme am Populismus. Man nimmt etwas völlig Unwichtiges her, um damit Stimmung zu machen.
 
Der italienische Alpenverein CAI hat dem ausgehandelten Kompromiss zugestimmt. Ein wichtiger Schritt?
 
Ich war sehr erfreut darüber, dass sich sowohl der AVS als auch der CAI hier einig sind. Denn man muss auch sagen, dass der AVS in dieser Hinsicht eine belastete Vergangenheit hat. Der Völkische Kampfring und diese Kreise kamen ja vielfach auch aus dem Alpenverein. Der AVS hatte immer eine völkische Ader gehabt und hat sie zum Teil immer noch. Aber in diesem Punkt haben sich die beiden Alpenvereine gefunden und gezeigt, dass sie miteinander können.
 
 
Italienweit sind wir aber wieder einmal die Deppen?
 
Hier muss man sagen, dass der Großteil der Parlamentarier in Rom überhaupt nichts von Südtirol weiß. Auch in den Fernsehsendungen wird Desinformation betrieben. Denn dort lädt man den Völkischen Kampfring ein. Damit genau dieses Bild herauskommt.
 
Eines der Argumente, das immer wieder gebracht wird: Die Italiener brauchen ihre Namen, damit sie sich in der Bergwelt nicht verirren?

Das ist ein völliger Schmarrn. Ich gehe jetzt wieder mehr als früher, um nicht ganz zu veralten. Deshalb wandere ich immer wieder in Südtirol. Dabei treffe ich immer mehr italienischsprachige Südtiroler in der Höhe, die sozusagen langsam dieses Land und diese Berge auch in Besitz nehmen und zu ihrer Heimat machen. Die brauchen keine italienischen Wegweiser. Aber offensichtlich gibt es auf beiden Seiten Gruppen, die genau das verhindern wollen. Manche wollen nicht, dass die Italiener in Südtirol ein Heimatgefühl entwickeln.
„Offensichtlich gibt es auf beiden Seiten Gruppen, die verhindern wollen, dass die Italiener in Südtirol ein Heimatgefühl entwickeln.“
Heißt Ihr Schloss Juval oder Juvale?
 
Ich habe diesem ganzen Humbug, dieser politischen Ausschlachtung und Benutzbarkeit der Namen ganz bewusst vorgebaut. Indem ich alle meine sechs Museen mit Namen versehen habe, die in allen Sprachen gleich sind und gelten. Firmian kommt aus dem Mittelalter, damals gab es Sigmundskron noch nicht. Erst als Sigmund der Münzreiche das Schloss von den Bischöfen gekauft hat, bekam es diesen Namen. Juval heißt Juval und nicht Juvale. Das ist ein ladinischer Namen. Ripa ist aus dem Tibetischen entlehnt und heißt Bergvolk. Corones ist der ladinische Name für den Kronplatz, ebenso wie Dolomites der ursprüngliche Name für die Dolomiten ist. Am meisten kritisiert werde ich immer wieder für Ortles. Da schimpft man immer wieder, das ist ja Italienisch, denn es heißt Ortler. Ein Blödsinn ist das. Vor 200 Jahren hieß der Ortler Ortles, das ist ladinisch. Erst danach wurde der Ortler eingedeutscht. Meine sechs Museen sind der Beweis, dass man das Ganze relativ vernünftig regeln kann – wenn man sich bemüht.