Umwelt | Landwirtschaft

Glurnser Stadtbauer

Am Beispiel Glurns wird deutlich wie die Landesregierung gewichtet. Die Begehrlichkeiten der Bauern sind wichtiger als die Anliegen des Denkmalschutzes und der Gemeinde.
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Foto: Erwin Bernhart
Wir sind mehr als überrascht über den Beschluss der Landesregierung“, sagt Franz Fliri. Der Obmann des Bezirkes Vinschgau im Heimatpflegeverbandes ärgert sich nicht nur über die Entscheidung, sondern noch mehr über das Abstimmungsverhalten: Einstimmig. „Wie kann der Landesrat für Denkmalschutz Mussner, aber auch Landesrat Theiner für einen solchen Beschluss stimmen?“ fragt sich nicht nur Fliri.
Der Bürgermeister von Glurns sieht es ähnlich. „Die Landesregierung hätte mit diesem Beschluss die Chance gehabt, klare Grenzen zu setzen, getan hat man genau das Gegenteil, jetzt ist fast alles erlaubt“, meint Alois Frank.
Der SVP-Bürgermeister und der Heimatschützer aus dem Vinschgau erhalten Unterstützung von oppositioneller Seite. „Das ist eine Niederlage für Landschaftsschutz und Denkmalpflege und ein Debakel für die Glaubwürdigkeit der Landesregierung“, schreiben die grünen Landtagsabgeordneten Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba in einer Aussendung.
 

Stadtmauer & Apfelbäume

 
Es geht um die kleinste Stadt Südtirols: Glurns. Das Vinschger Städtchen mit seiner historischen Bausubstanz und seinen noch intakten Stadtmauern ist ein Kleinod im gesamtem Alpenraum. Tausendfach wird das Motiv Glurns für die Südtirol-Werbung genutzt. Meistens mit Stadtmauer.
Die Gemeindeverwaltung und auch die zuständigen Landesstellen haben in den vergangenen Jahrzehnten viel getan, um den historischen Stadtkern von Glurns zu erhalten. So gibt es seit Jahrzehnten ein Bauverbot im Umkreis von 150 Metern um die Stadtmauern.
Unser Ziel war und ist es die freie Sicht auf die Stadtmauer zu gewährleisten und zu sichern“, sagt Bürgermeister Frank. Denn mit der Intensivierung des Apfelanbaues im oberen Vinschgau stellt sich der Gemeindeverwaltung ein neues Problem. Bereits im Dezember 2012 fällt der Gemeinderat von Glurns deshalb einen Grundsatzbeschluss. Der Landschaftsplan soll so abgeändert werden, dass „der Schutz des Gesamtbildes der Stadt Glurns samt Stadtmauern als einzigartiges, kulturhistorisches Erscheinungsbild mit einem der Stadtmauer vorgelagerten Sichtschutz ausgestattet werden“: Im Klartext: Es wird ein Verbot für Hilfsbauten wie Betongerüsten, Kunstfolien- oder Hagelnetzen für die landwirtschaftliche Nutzung in einem Umkreis von 100 Metern um die Stadtmauern festgelegt.
 
Die Gemeindeverwaltung leitet das Verfahren ein, wird aber jäh gebremst. Vor allem der Bauernbund mit seinem Direktor Siegfried Rinner an der Spitze läuft gegen das Vorhaben Sturm. Mit Erfolg: Am 18. März 2014 weist die Landesregierung die von der Gemeinde Glurns beantragte Änderung am Landschaftsplan ab. Die Begründung: Der Landschaftsplan sei das falsche Instrument für das geplante Verbot.
 

Bannzone & Holzsäulen

 
Die Gemeinde Glurns macht daraufhin einen zweiten Anlauf. Man beschließt eine indirekte Denkmalschutzbindung in der Gemeinde Glurns für alle Grund- und Bauparzellen im Umkreis von 100 Metern von der Stadtmauer und damit auch die Errichtung einer Bannzone. Zusammen mit der damaligen Direktorin des Landesdenkmalamtes Waltraud Kofler-Engl arbeitet man klare Kriterien aus. So will man Spalierpflanzungen in dieser Bannzone verbieten. Damit würden auch die Hilfsbauten und Säulen hinfällig und verboten.
Auch diesmal läuft der Bauernbund Sturm. So genehmigt die Landesregierung am 14. Oktober 2014 zwar die Ausweisung der Bannzone, lehnt aber das Verbot von Spalierplanzungen ab. In das Dekret der Landesregierung landet so am Ende eine sehr weitmaschige und dehnbare Diktion: „Man beschließt das Errichten von Foliendächern, Hagelnetzen sowie Betonsäulen in dieser Bannzone zu verbieten.
 
Was als Kompromiss verkauft wird, lässt in Wirklichkeit aber riesige Schlupflöcher offen. Das wird spätestens zu Ostern 2017 klar. In der Karwoche beginnt eine Grundbesitzerin in der Bannzone Apfelbäume zu pflanzen und 3.30 Meter hohe Holzgerüste auf Metallschuhen zu errichten. Weil der Grundbesitzerin aber jede Genehmigung dazu fehlt, stellen die Gemeinde und das Amt für Bau- und Kunstdenkmäler die Arbeiten umgehend ein. Damit die Bäuerin nicht die Jungpflanzen verliert, erlaubt man zwar die Bepflanzung, die Errichtung der Holzsäulen und der Draht-Verspannungen lehnt Amtsdirektorin Waltraud Kofler-Engl aber ab. Mit Verweis auf die Bannzone und den Beschluss der Landesregierung.
 

Rekurs & Landesregierung

 

Die Bäuerin legt im Juni 2017 Aufsichtsbeschwerde gegen diese Maßnahme des Amtes für Bau und Kunstdenkmäler ein. Am Dienstag hat die Landesregierung diese Aufsichtsbeschwerde einstimmig angenommen. Es ist ein Schlag direkt in die Magengrube der Gemeinde Glurns und des Denkmalamtes.
Für uns war klar, dass in dieser Bannzone alle Hilfsbauten verboten sind, vor allem so hohe Säulen“, ärgert sich jetzt Alois Frank, „ganz gleich ob sie aus Holz oder anderem Material sind“. Die Landesregierung hat mit ihrem Beschluss jetzt aber erst recht die Türen geöffnet. Der Glurnser Bürgermeister weist darauf hin, dass nach dieser Interpretation jetzt auch Plastik- oder Metallsäulen erlaubt sind. Damit wird der Sinn des Verbots ad absurdum geführt
 
Das sagt auch die Waltraud Kofler-Engl. „Das ist ein Präzedenzfall“, meint die Direktorin des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, „vor allem aber stellt sich nach dieser Entscheidung die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Bannzone in Glurns“.
Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba gehen noch weiter: „Die Landesregierung opfert das historische Umfeld der Stadtmauer und den Willen der Gemeinde dem Intensivobstbau. Und unterminiert die eigene Glaubwürdigkeit“.
Die drei grünen Landtagsabgeordneten verweisen drauf, dass sich die Landesregierung gegen das Gutachten des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler, gegen den Willen des Gemeinderats und gegen die Eingaben des Heimatpflegeverbandes gestimmt habe und dem Wunsch des Bauern und auch des Bauernbundes nachgekommen sei.
„Die Landesregierung opfert das historische Umfeld der Stadtmauer und den Willen der Gemeinde dem Intensivobstbau. Und unterminiert die eigene Glaubwürdigkeit“.
Die Gemeinde Glurns will diese Entscheidung der Landesregierung so nicht hinnehmen. „Wir werden hier sicher nicht nur zuschauen“, sagt Bürgermeister Alois Frank. Auf die Frage, ob die Gemeinde vor das Verwaltungsgericht ziehen wird, sagt der SVP-Bürgermeister, „das schließe ich nicht aus“.
Auch der Heimatpflegeverband dürfte seinen Kampf nicht aufgeben. Der Vinschger Bezirksobmann Franz Fliri: „Sicher ist, dass wir die Gemeinde Glurns bei allen Schritten, die sie in dieser Sache setzt unterstützen werden.