Umwelt | Pestizide

Pestizid-Tirol-Tribunal

Wie reagieren Alexander Schiebel und das Münchner Umweltinstitut auf die Strafanzeige aus Südtirol? Reuig klingt anders.
Alexander Schiebel mit Kamera
Foto: Alexander Schiebel

Üble Nachrede und Verbreitung von Falschinformationen zum Schaden der Südtiroler Landwirtschaft: Mit dieser Begründung hat Landesrat Arnold Schuler in dieser Woche Strafanzeige bei der Bozner Staatsanwaltschaft gegen Buchautor Alexander Schiebel, den Verlag seines eben erschienen Buchs „Das Wunder von Mals“ sowie das Umweltinstitut München erstattet. Doch wie reagieren die Angezeigten auf das „Stopp-Schild“ aus Bozen, als das Schuler seinen gerichtlichen Schritt bezeichnet? Alexander Schiebel war gerade auf dem Rückweg von München, als ihn salto.bz am Freitag erreichte. Eine weitere TV-Diskussion zum Thema Pestizide im bayerischen Rundfunk, eine ganze Sendung, in der es nur darum gegangen sein, ob Deutschland pestizidfrei sein kann, erzählte der Autor und Filmemacher. „Mein Wunschtraum wird Wirklichkeit“, sagt Schiebel und in gewisser Weise trifft das selbst auf das gerichtliche Ungemach zu, das ihn nun möglicherweise erwartet. Denn, wie Schiebel meint: „Ich glaube nicht, dass ein Gerichtsprozess gegen mich und das Umweltinstitut München ohne breites Medieninteresse abgehen würde.“ In anderen Worten: Arnold Schuler und die Südtiroler Landesregierung würden ein“ ungeheures öffentliches Forum“ für eine Frage schaffen, die Alexander Schiebel genau dort diskutiert haben will: Wie schädlich sind Pestizide tatsächlich?

„Da ist von vorsätzlicher Tötung die Rede und dass Kinder sozusagen am Spielplatz vergiftet würden“, ist eine der Passagen, die Landesrat Schuler als Grund für die Strafanzeige nannte. Solche Behauptungen könne man nicht so stehen lassen, „denn das hieße man akzeptiert sie“. „Für mich zeugt diese Anzeige davon, dass Schuler Sätze nicht im Kontext verstehen oder deuten kann“, entgegen dagegen Alexander Schiebel. In dem Kapitel, auf das sich der Landwirtschaftslandesrat beziehe, erkläre er, dass „tausende von Studien aufzeigen, dass der Ausbruch verschiedenster Krankheiten durch Pestizide wahrscheinlicher wird“. In dem Zusammenhang frage es sich auch, ob eines der Kinder, die er in dem Moment gerade spielen sah, vorzeitig an einer schweren Krankheit erkranken würde. Die vorsätzliche Tötung sei wiederum einer Passage entnommen, in der er über Bauern sinniere, die sagen, man fühle sich in der Diskussion schon wie ein Mörder. Er dagegen komme in dem Kapitel zum Schluss, dass „ihr Delikt das vorsätzliche Ignorieren von Fakten ist“ – und das werde zum vorzeitigen Ableben von Menschen führen. „Ich finde es sehr wichtig und richtig, diese Fragen zu diskutieren“, meint Alexander Schiebel. „Ich habe tausende von Experten, die ich zitieren und ins Feld führen kann und das mache ich sehr gerne.“

Alexander Schiebel selbst hält es allerdings für eher unwahrscheinlich, dass es nach den Vorermittlungen tatsächlich zu einem Prozess kommen werde. Denn, wie er meint: „Man darf sogar sagen, die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg, ohne eine Strafanzeige zu bekommen, obwohl das sicher falsch ist.“ Wenn er nun etwas sage, dass „sicher richtig sei, werde ich es das wohl machen dürfen“.

"Wir werden uns nicht einschüchtern lassen"

„Dass der stetig wachsende Widerstand gegen Pestizide nun mit Hilfe von Strafanzeigen mundtot gemacht werden soll, ist völlig inakzeptabel“, ließ am Freitag auch Fabian Holzheid, Pressesprecher und Vorstand des zweiten Betroffenen der Strafanzeige, des Umweltinstituts München, verlautbaren. „Wir werden uns nicht davon einschüchtern lassen, dass die Landesregierung unbequeme Wahrheiten nun als ‚üble Nachrede‘ diffamieren will. Damit gesteht die Landesregierung nur ein, dass ihr die Argumente ausgegangen sind“, so Holzheid.

Ganz kalt lässt Alexander Schiebel das Damoklesschwert Strafprozess dennoch nicht. „Ich bin kein Mann aus Teflon, sagt er. „Die Sache wird mich zigtausende Euro kosten, es wird unangenehm sein, ich werde viel Zeit verlieren und vor Gericht erscheinen müssen.“ Doch er habe bereits beschlossen, das Ganze wie einen Selbstversuch zu leben.  „Ich werde akribisch Tagebuch darüber führen, wie es ist, in die Mühlen der Repression zu geraten, wie es sich anfühlt, wenn man zum Schweigen gebracht werden soll – ich glaube, das wird ein tolles Buch.“  Die nächste Publikation aus der Schiebelschen Produktion ist also zumindest bereits im Kopf geboren. Selbst einen Titel hat der Wahl-Malser bereits  gefunden. „Pestizid-Tirol-Tribunal“, so seine an das Monsanto-Tribunal angelehnte Idee.  Keine Angst mit dem Reizwort weitere Anzeigen zu provozieren? „Heute muss man Pestizid-Tirol noch unter Anführungszeichen setzen und mit einem Augenzwinkern versehen“, meint Schiebel. „Doch wenn die Sache einmal ausjudiziert ist, wird man das Anführungszeichen weglassen können.“ So ganz scheint die Idee mit dem Stopp-Schild noch nicht zu wirken.