Umwelt | Erneuerbare Energie

Das Meer als Energiequelle

Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien, wie Wind- und Sonnenenergie steht die Nutzung der Meeresenergie erst am Anfang.
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Foto: MP

Die in den Meeren und Ozeanen weltweit verfügbare Energie aus Wellen und Strömungen stellt eine bisher kaum genutzte, aber nahezu uner­schöpfliche Energie­quelle dar. Die gewaltigen Wassermassen werden von Wind, Ebbe und Flut und von Strömungen bewegt. Aus diesen natürlichen Bewegungen lässt sich Strom gewinnen. In Zeiten des Klimawandels, in denen erneuerbare Energie immer wichtiger wird, forschen Wissenschaftler und Ingenieure an Lösungen für die Stromgewinnung aus dem Meer. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel der Solar- oder Windenergie, liegen die Stromerzeugungsanlahgen auf dem Meer hinsichtlich ihrer technischen Entwicklung viele Jahre zurück. Bei den meisten bis jetzt realisierten Anlagen handelt es sich um Prototypen, die sich noch in der Testphase befinden und noch nicht marktreif sind.  Erst einige wenige kommerziell genutzte Anlagen sind derzeit im Einsatz. Doch die Technologien werden laufend weiterentwickelt. Geeignete Standorte in Europa sind die Küsten Großbritanniens, Frankreichs, Spaniens, Portugals, Irlands und Norwegens. Europäische Firmen sind führend bei der Entwicklung der meisten Stromgewinnungsmethoden aus dem Meer.

Die wichtigsten Anlagen, mit denen derzeit Energie aus dem Meer gewonnen werden kann, sind Gezeitenkraftwerke, Strömungskraftwerke und Wellenkraftwerke. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Technologien, mit denen Elektrizität aus dem Meer gewonnen werden kann. Weltweit werden derzeit nur 0,5 Gigawatt Strom aus dem Meer erzeugt und weitere Kraftwerke mit einer Kapazität von 1,7 Gigawatt sind im Bau. Der größte Teil der Stromerzeugung aus dem Meer stammt aus Gezeitenkraftwerken.

Gezeitenkraftwerke

Gezeitenkraftwerke nutzen die Höhendifferenz von Ebbe und Flut. Vor einer Bucht wird ein Deich oder Damm errichtet, in dem sich mehrere Turbinen befinden, die Strom erzeugen. Bei Flut werden die Turbinen vom einfließenden Wasser, bei Ebbe vom ausfließenden Wasser angetrieben. Das weltweit erste Gezeitenkraftwerk entstand 1966 in Frankreich (Bretagne), wo der Fluss Rance in der Bucht von St. Malo in den Atlantik mündet. Das Kraftwerk hat eine Kapazität von 240 Megawatt. Die Gezeiten an der bretonischen Küste gehören mit gewaltigen Wasserstands-Unterschieden von 12 bis 14 Meter zu den stärksten in der Welt.  Voraussetzung für ein Gezeitenkraftwerk ist ein Tidenhub von mindestens fünf Metern. Als Tidenhub bezeichnet man die Differenz zwischen niedrigsten bzw. höchsten Wasserstand bei Ebbe und Flut.

 

Meeresströmungskraftwerke

Meeresströmungskraftwerke sind eine sehr neue Entwicklung und funktionieren ähnlich wie Gezeitenkraftwerke, benutzen aber nicht die Energie von Ebbe und Flut, sondern die kontinuierliche Meeresströmung, um Strom zu erzeugen. Sie funktionieren ähnlich wie Windkraftwerke, nur dass die Rotoren durch das strömende Wasser in Bewegung gesetzt werden und nicht durch den Wind. In Europa sind mehr als 100 Standorte bekannt, die sich für eine Energiegewinnung aus Meeresströmungen eignen würden. Diese befinden sich vor allem entlang der britischen, französischen, portugiesischen und spanischen Atlantikküste. Der Vorteil der Technik: Gezeitenströmungen sind vorhersehbar. Anhand des Mondkalenders lässt sich berechnen, wie schnell die Strömung an welchem Tag ist. Größtes Strömungskraftwerk der Welt ist derzeit das 1,2 Megawatt starke „Seagen“ Kraftwerk, das 2008 vor der Küste Nordirlands in der Bucht vor Portaferry in Betrieb ging.

Wellenkraftwerke

Wellenkraftwerke verwandeln die Bewegungsenergie der Meereswellen in Strom. Im Unterschied zu einem Gezeitenkraftwerk wird die komplette Energie der Wellenbewegungen genutzt und nicht nur der Energieunterschied bei Ebbe und Flut. Wellenkraftwerke funktionieren auf der Basis von verschiedenen technologischen Verfahren.

Die Schotten gehören zu den Pionieren bei der Gewinnung von Strom aus Meereswellen. 2009 wurde ein Wellenkraftwerk vor den Orkneyinseln in der Nordsee errichtet, das bereits Strom ins britische Stromnetz einspeist. Dieses Wellenkraftwerk funktioniert wie eine riesige, geöffnete Muschel (daher der Name). Trifft die Welle auf die Muschel, bewegt sich dadurch die "Converter" genannte Muschelklappe und erzeugt Strom.  

2011 wurde in Spanien an der baskischen Küste zwischen San Sebastian und Bilbao das Wellenkraftwerks „Mutriku“ zur kommerziellen Stromerzeugung in Betrieb genommen.

Eine andere Methode  um die Meereswellen zu nutzen, ist die sogenannte „Seeschlange“, auch Pelamis genannt. Dabei handelt es sich um mehr als 100 Meter lange, aus mehreren Elementen zusammengesetzte Stahlröhren, die in Wellenrichtung auf dem Meer positioniert werden. In den Scharnieren der Segmente sitzen Hydraulikzylinder, die mit den Wellen auf und ab bewegt werden und Stromgeneratoren antreiben. Das erste Pelamis Wellenkraftwerk wurde 2008 vor der Küste Portugals errichtet. Inzwischen gibt es ähnliche Anlagen auch vor der Küste Schottlands und Irlands.

​Neben den oben beschriebenen Anlagen gibt es noch andere Technologien, um Strom aus dem Meer zu gewinnen.  

In Meereswärmekraftwerken (Englisch: ocean energy conversion technology = OTEC) wird elektrischer Strom aus dem Temperaturunterschied zwischen kalten und warmen Wassermassen in unterschiedlichen Tiefen der Meere gewonnen. Meereswärmekraftwerk werden meist auf dem Meer errichtet (schwimmende Anlagen), können aber auch an Land gebaut werden, wenn in Küstennähe eine Meerestiefe von an die 1000 Meter vorhanden ist. Wenn diese Technologie einmal ausgereift ist, würde ein enormes Potential an Energie zur Verfügung stehen, da das warme Wasser der Ozeanoberfläche beständig von der Sonne erwärmt wird, und zum anderen das kühle Wasser aus bis zu 1000 Meter Tiefe zur Verfügung steht. Versuchs-Anlagen von Meereswärmekraftwerken gibt es auf Hawaii, in Südkorea und in Japan, aber auch in Frankreich, in China und in einigen anderen Ländern sind Test-Analgen in Planung.

Osmose-Kraftwerke nutzen den unterschiedlichen Salzgehalt von Meer- und Flusswasser, um Energie zu generieren. Mögliche Standorte für solche Anlagen finden sich, wo Flüsse ins Meer münden. Der weltweit erste Prototyp eines Osmosekraftwerks wurde 2009 im norwegischen Tofte am Oslofjord als Kleinstkraftwerk in Betrieb genommen.

 

Vorteile der Stromgewinnung aus dem Meer

Die Gewinnung von Strom aus dem Meer ist erneuerbar und umweltfreundlich. Es kommt zu keinen CO2- und anderen umweltschädlichen Emissionen.

Energie aus dem Meer bietet ein enormes Potenzial. Viele große Städte liegen am Meer und könnten so durch ihre geographische Nähe mit erneuerbarem Strom versorgt werden.

Strom aus dem Meer kann unabhängig von Tages- und Jahreszeit generiert werden und  ist somit eine verlässliche Energiequelle.

Da der Strom in den meisten Fällen in Anlagen auf dem Meer generiert wird, kommt es zu keinen Beeinträchtigungen am Land.

 

Nachteile für Stromgewinnung aus dem Meer

Es gibt nur eine begrenzte Standortwahl, da solche Anlagen nur in bestimmten Regionen errichtet werden können.

Die Wartungskosten für die Anlagen sind sehr hoch. Verschleißerscheinungen und Korrosion an den Anlagen durch aggressives Salzwasser, Wellen und Wind stellen ein großes Problem dar.

Das Ökosystem des Meeres kann durch große Anlagen gestört werden.

Der wohl größte Nachteil ist jedoch, dass die Investitionskosten in Wellen- und Gezeitenkraftwerke, verglichen mit anderen erneuerbaren Energiequellen zur Stromgewinnung, derzeit noch viel zu hoch sind. 

Zukunftsperspektiven

Stromgewinnung aus dem Meer befindet sich erst in der Anfangsphase. Bisher hat noch keine Technologie den Durchbruch geschafft. Einige Anlagen produzieren schon Strom, doch die Kosten der Stromgewinnung sind noch viel zu hoch. Es gibt noch große technische Herausforderungen zu überwinden. Hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung sind notwendig, um technologisch ausgereifte Lösungen anzubieten, die auch kostenmäßig mit anderen Stromgewinnungsmethoden konkurrenzfähig sind. Wenn diese Hürden überwunden sind, kann Energie aus dem Meer einen wichtigen Beitrag zur erneuerbaren und sauberen Stromgewinnung leisten.