Politik | Land & Raum

“Reine Augenauswischerei!”

Claudia Plaikner ist vom Gesetzentwurf für Raum und Landschaft enttäuscht: “Lobbys haben stark gearbeitet.” Die Obfrau der Heimatpfleger setzt auf den Landeshauptmann.
Claudia Plaikner
Foto: Heimatpflegeverband

Seit einem knappen Jahr steht Claudia Plaikner dem Heimatpflegeverband Südtirol als Landesobfrau vor. Es sind bewegte Zeiten, in der sich die Oberschullehrerin und Kunsthistorikerin aus Olang behaupten muss – nicht zuletzt, weil die Verabschiedung des neuen Gesetzes für Raum und Landschaft unmittelbar bevorsteht. Ein Gesetz, das den Namen nicht verdient, findet Plaikner.

salto.bz: Frau Plaikner, sind Sie mit dem Gesetzentwurf, den Landesrat Richard Theiner vorgelegt und der die zuständige Gesetzgebungskommission inzwischen durchlaufen hat, zufrieden?

Claudia Plaikner: Im Großen und Ganzen muss ich sagen nein. Es ist ein Gesetz, das Raum und Landschaft zusammenfasst, wo aber der Landschaftsschutz sicherlich den Kürzeren ziehen wird. Weil im Vordergrund die Raumordnung steht – wobei die nach wie vor eine RaumUnordnung ist.

Warum?

Es gibt wieder so viele Ausnahmeregelungen. Das hat man in der II. Gesetzgebungskommission nachvollziehen können. Landesrat Theiner hat bei einem unserer Gespräche, die wir im Vorfeld geführt haben, versichert, dass an diesem Gesetz – wörtlich – kaum mehr etwas verändert werden wird. Tatsache ist, dass allein die SVP in der Gesetzgebungskommission knapp 300 Abänderungsanträge eingereicht hat: 270 an der Zahl. Davon 88 Landesrat Theiner. Und einen großen Prozentsatz – an die 180 – die Bauernfraktion.

Ich bin inzwischen Realistin genug, um zu wissen, wie die Dinge in Südtirol so laufen.

Was sagt Ihnen das?

Man sieht, dass dieses Gesetz eigentlich unausgereift ist. Wenn so viele Abänderungsanträge eingereicht werden, bedeutet das, dass es nicht gut ausformuliert ist – und, dass eine ganz starke Lobbyarbeit vonseiten bestimmter Interessengruppen gemacht wird. Wenn Lobbys das Gesetz sozusagen formulieren, kann nie ein gutes Gesetz entstehen. Denn im Grunde hätte schon die Politik die Aufgabe, überordnend zu koordinieren und zu schauen, dass wirklich ein Gesetz entsteht, das der Raumordnung als auch dem Landschaftsschutz gerecht wird – und vor allem, das keine Sonderregelungen für bestimmte Zweige beziehungsweise Interessengruppen zulässt.

Landesrat Theiner selbst hat nicht den Eindruck, dass im Gesetzentwurf gewisse Interessen besonders berücksichtigt wurden, sondern, dass er ausgewogen sei.

Das ist keineswegs ein ausgewogenes Gesetz! Das ist reine Augenauswischerei! Die Fakten sprechen für sich. Da möchte ich den Landesrat fragen – und das werde ich, denn heute sind wir beim Runden Tisch in der RAI zu Gast –, wo zum Beispiel unsere Vorschläge geblieben sind.

Die Vorschläge des Heimatpflegeverbandes?

Unsere Fachleute – denn für ein solch kompliziertes Gesetzeswerk braucht es Fachleute –, unsere Juristen und Architekten, die sich tagtäglich mit der Materie befassen, haben den Gesetzentwurf äußerst gut studiert und haben wirklich sinnvolle Vorschläge eingebracht. Wo aber sind die gelandet? Die wurden total ignoriert! Wir haben beim Landesrat nachgefragt und nicht einmal eine Rückmeldung bekommen. Das, was der Landesrat jetzt betreibt, ist reine Schönrederei.

Immer wieder müssen wir den verschiedenen Wirtschaftstreibenden sagen, dass sie sich im Grunde den Ast, auf dem sie alle sitzen, absägen, wenn sie so weiter machen.

Was hat der Heimatpflegeverband unter anderem vorgeschlagen?

Ein ganz zentrales Thema ist der Ensembleschutz, der ein bisschen auch ein Kind des Heimatpflegeverbandes ist. Wir kämpfen seit 20 Jahren dafür und er wurde schlussendlich im Raumordnungsgesetz verankert. Im neuen Raumordnungsgesetz, das in Ausarbeitung ist, ist der Ensembleschutz nur in irgendeinem Paragraphen in einer ganz ganz verwässerten Form enthalten. Es gibt auch keine Verpflichtung für die Gemeinden mehr, Ensembles auszuweisen. Es gibt keine Kriterien mehr, nach denen man ein Ensemble ausweist und so weiter. Unser Vorschlag war, Art. 25 des heute noch gültigen Raumordnungsgesetzes auf jeden Fall auch in das neue Gesetz hineinzupacken.

Das ist nicht passiert?

Das ist nicht passiert. Dabei ist es ein sehr gut ausgearbeiteter Artikel im Hinblick auf den Ensembleschutz. Übrig geblieben ist eine einzige verwässerte Passage. Der Ensembleschutz wird dadurch, ja, man kann sagen, gelöscht.

Ende Mai soll der Gesetzentwurf vom Landtag in einer Sondersitzung behandelt werden. Gehen Sie davon aus, dass er in der jetzigen Form verabschiedet wird?

Ich bin inzwischen Realistin genug, um zu wissen, wie die Dinge in Südtirol so laufen; dass die Lobbys – Bauernlobby, Touristiker und so weiter und so fort – sehr stark arbeiten. Einen kleinen Hoffnungsschimmer habe ich trotzdem.

Ja?

Bei unser Jahreshauptversammlung am Samstag war auch der Landeshauptmann anwesend. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um ihm unsere Anliegen und Vorschläge zu unterbreiten. Auf einige hat er sehr positiv reagiert. Jetzt hoffe ich, dass zumindest der Landeshauptmann noch einige Anliegen des Landschaftsschutzes und des Ensembleschutzes aufnimmt.

Wenn Lobbys ein Gesetz sozusagen formulieren, kann nie ein gutes Gesetz entstehen.

Sie haben es angesprochen: Bereits heute Abend haben Sie die Gelegenheit, mit Landesrat Theiner, aber auch mit Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler und HGV-Direktor Thomas Gruber über den Gesetzentwurf für Raum und Landschaft zu diskutieren. Was erwarten Sie sich vom Runden Tisch?

Für mich ist das ein nicht ganz einfacher Auftritt, ich werde sicherlich viel Gegenwind bekommen. Aber ich scheue mich absolut nicht vor der Diskussion. Denn wir Heimatpfleger haben eine Stärke: Wir sind die Lobby – wenn wir schon diesen Begriff verwenden wollen – für die Allgemeinheit, für den Landschaftsschutz, für Werte, die allen zugute kommen. Wir vertreten keine Partikularinteressen, geschweige denn persönliche Interessen. Deswegen glaube ich, dass ich sehr gelassen in die Runde gehen kann. Ich werde unsere Themen vorbringen, ebenso wie unsere Kritikpunkte, die, so glaube ich, nicht von der Hand zu weisen sind. Denn wir kritisieren nicht nur, um zu kritisieren. Sondern es gibt einfach Ungereimtheiten, die es zu benennen gilt.

Nach der Jahresversammlung am Samstag haben Sie gesagt: “Wir wehren uns.” Sich gegen starke Lobbys wie Bauernbund und HGV wehren wird vermutlich nicht einfach?

Absolut nicht. Unsere Hauptaufgabe ist, meinungsbildend zu wirken, wir können eigentlich auch nichts anderes tun. Denn wie gesagt, haben wir nicht einen Stand zu vertreten, sondern wir müssen an die Allgemeinheit denken. Wir müssen in die Zukunft denken! Immer wieder müssen wir den verschiedenen Wirtschaftstreibenden sagen, dass sie sich im Grunde den Ast, auf dem sie alle sitzen, absägen, wenn sie so weiter machen. In dem Sinne können wir nur vernünftige Gründe anführen, weshalb wir eben oft in Bezug auf bestimmte politische Entscheidungen anderer Meinung sind.