Das ungünstige Wahlergebnis und Salvinis beinharter Kurs gegen die Immigration haben im Movimento 5 stelle Unbehagen ausgelöst.
Im Vergleich zu den jüngsten Parlamentswahlen hat die Bewegung fast jeden zweiten Wähler verloren. In den Provinzhauptstädten ist ihr Stimmenanteil von 32 auf 12 Prozent gesunken. Nach eine Analyse des Istituto Cattaneo hat sich gut die Hälfte der M5S-Wähler vom 4.März entweder enthalten oder andere Parteien gewählt. In Brescia haben 27 Prozent für den PD-Kandidaten gestimmt, in Vicenza 30 Prozent für den Lega-Vertreter. Als einer der Gründe gilt die im Fussvolk unerwünschte Entscheidung des M5s, eine Regierung mit der Lega zu bilden.
Die Fünf-Sterne-Bewegung hat überdies schon immer bei Parlamentswahlen besser abgeschnitten als bei regionalen oder kommunalen. Das liegt daran, dass der Bewegung vor Ort meist eine classe dirigente fehlt, mit der sich die Wähler identifizieren können. In keiner wichtigen Stadt hat es ein M5S-Kandidat in die Stichwahl geschafft. Für Unbehagen sorgt in der Bewegung vor allem Salvinis beinharter Kurs gegen die Immigration.
Für die Grillini ist die Migration eines von vielen Themen, mit denen sich die Regierung beschäftigen muss. Aber da die Zahl der Migranten um 80 Prozent gesunken ist, galt es nicht als absolute Priorität. Der rüde Stil Salvinis im Fall des Schiffes Aquarius hat in der Bewegung Kritik ausgelöst. Livornos Bürgermeister Nogarin hat in einem tweet den Hafen seiner Stadt angeboten. Auch Kammerpräsident Roberto Fico äusserte Kritik.
Salvini dagegen verlor kein Wort darüber, dass wenige Stunden nach dem Angebot Spaniens, die Schiffsflüchtlinge aufzunehmen, in Sizilien 932 weitere Migranten gelandet sind, die von Schiffen der italienischen Küstenwache aus dem Meer geborgen wurden.
Besorgnis bereitet der Bewegung Di Maios auch die Art und Weise, wie der selbstgefällige Lega-Chef Salvini Premier Giuseppe Conte in den Schatten stellt.
Ein Besuch des Regierungschefs im Erdbebengebiet sollte dessen Popularität fördern und dem Eindruck entgegenwirken, er sei ein weitgehend machtloser Komparse. Dem Premier fällt nun die schwierige Aufgabe zu, die Wogen in den europäischen Hauptstädten zu glätten. Spanien droht Italien damit, Rom vor die europäische Justiz zu zerren, Macron wirft Italien "Zynismus" vor und sorgt für eine ernste Belastung der bilateralen Beziehungen, die den für Freitag geplanten Besuch Contes in Paris in Frage stellt. Salvini , der vom ungarischen Hardliner Orban gelobt wird, kündigt seine Absicht an, Tripolis zu besuchen, wo Milizen vor wenigen Tagen das Aussenministerium besetzt haben. Nach Informationen der Geheimdienste warten in Libyen rund 50.000 Migranten auf die Überfahrt nach Italien. Kritisch scheint die Lage besonders an der Grenze zu Tunesien, einem Land, mit dem Salvini bereits einen diplomatischen Konflikt provoziert hat.
Indessen haben Lega und M5S 100 Tage nach der Wahl endlich 6 Vizeminister und 39 Staatssekretäre ernannt und damit die Regierungsmannschaft vervollständigt. Ungewöhnlich dabei, dass die Agenda Gleichstellung mit Vincenzo Spadafora erstmals in männliche Hände gelegt wurde. Alles sieht freilich danach aus, als würden die Polemiken um die Migration und der kritische Blick Europas auf Rom in den kommenden Wochen die Agenda der Regierung bestimmen und die geplanten Reforme in den Schatten stellen. Im inoffiziellen M5S-Hausblatt Il fatto quotidiano geht Marco Travaglio mit der Bewegung gnadenlos ins Gericht: "L'alleanza con la Lega, neppure immaginata in campagna elettorale nè dopo le elezioni, quando si sperava in un'intesa con il PD, rischia di spegnere de stelle più brillanti del Movimento."