Umwelt | Glyphosat

"Es gibt Alternativen"

Arnold Schuler über den Monsanto-Prozess in den USA, die neue Debatte um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat und die beunruhigenden Folgen.
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Foto: Facebook
Salto.bz: Der Amerikaner Dewayne Johnson hat einen Unkrautvernichter von Bayer-Tochter Monsanto mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat für seinen Lymphdrüsenkrebs verantwortlich gemacht und geklagt. Ihm wurden 289 Millionen Dollar zugesprochen. Halten sie dieses Urteil für gerechtfertigt?
 
Arnold Schuler: Wir hören immer wieder von Urteilen aus Amerika, die uns verblüffen. Dieses gehört sicherlich dazu. Soweit ich weiß ging es im Prozess nicht darum, ob der Krebs tatsächlich durch Glyphosat verursacht wurde, was ohnehin schwer nachzuweisen wäre, sondern um die Hinweise auf das Gefahrenpotenzial, die angebracht werden sollten. Dass ein nicht vorhandener Hinweis zu so einem verblüffenden Urteil führt ist schon erstaunlich, unabhängig davon, ob der Wirkstoff tatsächlich die Krebsursache war. Und es wirft die Frage auf, wer überhaupt für die Bewertung von Chemikalien zuständig ist.
 
Zu der Frage, ob Glyphosat wirklich krebserregend ist, gibt es ja unterschiedliche Meinungen. Monsanto zitiert über 800 Studien und Bewertungen, auch von sehr seriösen Einrichtungen, die behaupten, der Wirkstoff sei nicht krebserregend.
 
Auch bei uns in Europa wurde bei der Entscheidung, ob man Glyphosat weiter nutzen könne, sehr lange über diese Frage diskutiert. Das Krebsforschungsinstitut IARC hat mit Studien den Wirkstoff als wahrscheinlich krebserregend eingestuft, was bei uns diese große Diskussion erst auslöste. Gleichzeitig waren aber alle Institute, die für die Zulassung verantwortlich sind, der Meinung, dass der Stoff unbedenklich sei. 
Ich bin zwar Landwirt, aber schlussendlich sind wir alle Laien. Wir verlassen uns auf Institutionen, die solche Dinge mit großem Aufwand prüfen.
Dazu gehören zum Beispiel die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit Sitz in Parma, die Bundesagentur für Risikobewertung, das italienische Gesundheitsministerium oder die ECHA, die Europäische Chemikalienagentur.
 
Gibt es auch bei der Bewertung Unterschiede?
 
Ja, und auch das wird bei der Diskussion oft vergessen. Während das IARC den Wirkstoff als solchen, also das Gefahrenpotenzial untersucht hat, beschäftigen sich die Zulassungsbehörden mit dem Risiko: bis zu welchem Grat man mit solchen Mitteln in Berührung kommen kann und wie wahrscheinlich es ist zu erkranken. Es ist ein großer Unterschied, ob man den Wirkstoff selbst oder das Risiko untersucht. Ein Beispiel: in unserem Trinkwasser befinden sich Blei und Arsen, die prinzipiell gefährlich werden können und ein Gefahrenpotenzial aufweisen, in so geringen Mengen aber völlig unbedenklich sind.
 
Wer sollte also für die Einschätzung von derartigen Substanzen zuständig sein?
 
Genau das ist meiner Meinung nach die große Frage: wie will man bei der Bewertung von Chemikalien in Zukunft vorgehen? Glyphosat als Herbizid ist ja nur ein Beispiel, es gibt noch viele andere Chemikalien, die diese Institutionen zu bewerten haben. Ich denke es wird sehr schwierig, wenn wir anfangen, unsere eigenen Institutionen in Frage zu stellen. Ich bin zwar Landwirt, aber schlussendlich sind wir alle Laien. Wir verlassen uns auf Institutionen, die solche Dinge mit großem Aufwand prüfen. 
Wenn wir durch so ein Urteil beginnen jedes Risiko auf die Verpackung zu schreiben, dann muss zum Beispiel auch ein Metzger sein rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend klassifizieren. 
Ich will nicht wie der Pflichtverteidiger von Monsanto klingen, aber ich frage mich, wo das ganze hinführt. Wer wird in Zukunft über die Zulassungen entscheiden? Facebook-Gruppen, Umweltorganisationen oder doch die Institutionen, die eigens dafür gegründet wurden? Außerdem: wenn wir durch so ein Urteil beginnen jedes Risiko auf die Verpackung zu schreiben, dann muss zum Beispiel auch ein Metzger sein rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend klassifizieren. Die IARC bewertet unzählige Stoffe als wahrscheinlich krebserregend, auch solche, mit denen wir tagtäglich in Berührung kommen. Sollen auch bei all diesen Stoffen Warnungen angebracht werden?
 
Ist Landwirtschaft ohne Glyphosat und ähnliche Wirkstoffe überhaupt noch möglich?
 
Ja es gibt Alternativen: immer mehr Obst- und Weinbauern verzichten auf Herbizide und man steigt auf mechanische Unkrautvernichtung um. Diese ist aber auf den Äckern in Südtirol oft schwierig. Um Unkraut zu vermeiden kann man zum Beispiel auch den Boden aufbrechen, wie man es früher immer getan hat. Der offene Boden hat aber die Folge, dass es sehr viel weniger Bodenlebewesen gibt, vom Arbeitsaufwand ganz zu schweigen. 
In Zukunft werden wir uns aber sicherlich nach mehreren umschauen müssen, vor allem, weil die Gesellschaft Glyphosat nicht akzeptieren wird, unabhängig davon, ob es tatsächlich gesundheitliche Folgen hat.
Die Bekämpfung mit heißem Dampf ist ebenfalls eine neue Möglichkeit, aber auch das ist äußerst problematisch, weil es mit einem enormen Energieaufwand verbunden ist und auch hier alle Lebewesen im Boden sterben. Es zeigt sich: auch die Alternativen sind nicht immer unbedenklich. In Zukunft werden wir uns aber sicherlich nach mehreren umschauen müssen, vor allem, weil die Gesellschaft Glyphosat nicht akzeptieren wird, unabhängig davon, ob es tatsächlich gesundheitliche Folgen hat.