Politik | ATTAC-Publikation

Vorschläge für eine radikal andere EU

„Warum die EU nicht zu retten und ein Austritt keine Lösung ist“ lautet der Titel dieses ATTAC-Sammelbands,ein wichtiger Beitrag zur nicht nationalistischen EU-Kritik.
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Entwicklungen der EU in vielen Politikfeldern werden darin analysiert, die Rechtfertigungen der EU-Politik widerlegt und im Strategieteil folgen Alternativen zur „autoritären und neoliberalen Vertiefung“ der heutigen EU. Der Band geht davon aus, dass der Streit um die Zukunft der EU aktuell zwischen dem neoliberalen Mainstream – das wären die Kräfte, die in Brüssel die Mehrheit bilden: Konservative, Sozialdemokraten und Liberale – und den nationalistisch und populistischen Rechten geführt wird. Das sei eine katastrophal falsche Sicht von Alternativen, die andere EU-kritische Ansätze und Vorschläge von der Bildfläche ausschließe. Damit werde suggeriert, es gehe beim kommenden EU-Wahlkampf vor allem um Konflikte zwischen einzelnen Regierungen und Brüssel oder zwischen mehr EU einerseits und mehr Nationalstaat andererseits (die „sovranisti“ in Italien).

Der Grundkonflikt in der EU sei ein anderer, denn im Kern sei die EU ein Raum verschärfter Standortkonkurrenz sowohl zwischen den EU-Staaten als auch auf globaler Ebene. Und dazu brauche es dringend einen Perspektivwechsel, so ATTAC: „Die Interessen der Vermögenden und Weltmarktunternehmen sowie ihrer politischen Stützen stehen gegen die Interessen großer Teile der Bevölkerung an hohen Sozial- und Umweltstandards in demokratischen Prozessen, mit guten öffentlichen Dienstleistungen“ (S.12). Die EU mit ihrer dominanten neoliberalen Ausrichtung, so die zentrale These des Buchs, trage zur Spaltung der einzelnen Gesellschaften und zwischen den europäischen Ländern bei. Das, die soziale Misere der Abgehängten, bereite erst den Boden für die Rechtspopulisten.

Es bleibt nicht nur bei der Kritik der herrschenden Ausrichtung der EU und ihrer Folgen. Im Herzstück des ATTAC-Bandes werden zehn Vorschläge präsentiert, wie es innerhalb der EU anders gehen könnte. Diese tiefgreifende Umgestaltung der EU schließe einen Rückbau der EU-Integration vor allem in den „neoliberalen und autoritären“ Politikbereichen wie der Budget-, Finanzmarkt-, Handels- und Geldpolitik ein. Dadurch könnten lokale und nationale Handlungsspielräume zurückgewonnen werden. Das sei eine ganz andere Kritik an der EU als die nationalistische Kritik der Rechtspopulisten.

Ziel des Buchs ist es, „die EU zu entzaubern und als das zu zeigen, was sie ist: ein im Herzen neoliberales Projekt. Ist der Zauber erst gebrochen, tun sich für die Menschen, die sich für ein gutes Leben für alle einsetzen, viele neue Wege auf“ (S. 274). Tatsächlich werden im ATTAC-Band einige originelle und radikale Vorschläge dargelegt, wie durch den Umbau der EU ein sozial-ökologisches und demokratisches Wohlstandsmodell überhaupt wieder denkbar und machbar werden kann. Doch schießen einige Beiträge weit übers Ziel hinaus, bringen widersprüchliche und utopische Reformvorschläge und bieten keine überzeugende Strategie zur Umsetzung. Die „Entzauberte Union“ kann als Beitrag zur nicht nationalistischen EU-Kritik gelesen werden, ganz unabhängig davon, wie man die Zukunft der EU sieht oder sich wünscht. Der lesenswerte Band öffnet Perspektiven auf andere Wege in der europäischen Integration, die für ein gutes Leben aller Menschen in allen Regionen und Ländern sorgen sollen.
ATTAC (Hrsg), Entzauberte Union – Warum die EU nicht zu retten und ein Austritt keine Lösung ist, 3. Auflage, Mandelbaum Verlag, Berlin 2018