Gesellschaft | Sea Watch

Auf wessen Seite?

Nach der Festnahme der Sea-Watch-Kapitänin entlädt sich die aufgeheizte Sitmmung im Netz. Deutschland verurteilt Italiens Vorgehen. Und was sagt der Landeshauptmann?
Weltflüchtlingstag
Foto: Pixabay

Gut 50 Stunden sind vergangen seit die Sea Watch 3 im Hafen von Lampedusa angelegt hat und die Kapitänin Carola Rackete von den italienischen Sicherheitskräften festgenommen wurde. Im Hausarrest wartet die 31-jährige Deutsche, der unter anderem Beihilfe zur illegalen Einwanderung, vorgeworfen wird, auf den Fortgang der Ermittlungen gegen sie.
Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Finnland und Portugal haben sich bereit erklärt, die 40 Menschen aufzunehmen, die tagelang an Bord des Hilfsschiffes Sea Watch 3 festgesessen haben, weil ihm die italienischen Behörden keine Anlegeerlaubnis erteilten.

Innenminister Matteo Salvini verteidigt das harte Vorgehen gegen die Sea-Watch-Kapitänin. Das unerlaubte Einlaufen in den Hafen von Lampedusa, bei dem die Sea Watch 3 ein Boot der Finanzwache rammte, sei ein krimineller und kriegerischer Akt gewesen, ein “hinterhältigen Angriff”, für den er sich eine “beispielhafte Strafe” erwarte, so der Lega-Chef.

“Die Anschuldigungen gegen Carola Rackete sind unbegründet”, sagt indes Gregorio De Falco. Der Senator der gemischten Fraktion und ehemalige Kommandant der italienischen Küstenwache meint im Interview mit Famiglia Cristiana: “Die Kapitänin hat einen Rettungsdienst geleistet, sie hat Menschen an Bord genommen, die Schiffbrüchige waren. Es handelt sich nicht um illegale Einwanderung, sondern um Rettung aus Seenot, zu der laut internationalen Konventionen die Kapitäne aller Länder verpflichtet sind, die diese unterzeichnet haben. Und die Rettungsaktion gilt erst als vollzogen, wenn der Kapitän die Menschen, denen er zu Hilfe gekommen ist, an Land bringt.”

Am Sonntag hat sich auch der deutsche Bundespräsident zur Sea Watch geäußert. “Wer Menschenleben rettet, kann nicht Verbrecher sein”, sagte Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommergespräch. Es könne ja sein, dass es italienische Rechtsvorschriften gebe, wann ein Schiff einen Hafen anlaufen dürfe. “Nur: Italien ist nicht irgendein Staat. Italien ist inmitten der Europäischen Union, ist Gründungsstaat der Europäischen Union. Und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht.”

Menschenleben zu retten ist eine humanitäre Verpflichtung. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden”, twittert der deutsche Außenminister Heiko Maas bereits am Samstag.

Staatspräsident Sergio Mattarella hat noch keine Stellungnahme abgegeben. Er ist derzeit auf Staatsbesuch in Österreich. Für Montag Mittag ist eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen geben.

In den sozialen Netzwerken feiern seine Anhänger indes Matteo Salvini. Die aufgeheizte Stimmung entlädt sich seit Tagen in fremden- und frauenfeindlichen Kommentaren. “Io sto con Carola perché è scopabile” ist nur ein Beispiel für den unsäglichen Ton, mit dem gegen die Kapitänin gehetzt wird.

Während bei Spendenaktionen inzwischen über eine Million Euro für die Sea-Watch-Kapitänin zusammengekommen sind – unter anderem sammeln die deutschen TV-Moderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf – und in München für die Freilassung von Carola Rackete protestiert wird, schlagen sich auch die Südtiroler Leghisti auf Salvinis Seite. Massimo Bessone veröffentlicht seit Tagen polemische Facebook-Posts zur Sea Watch 3 – auch auf der Seite, die er als Landesrat nutzt. Er spricht von “afrikanischen Passagieren”, die Rackete an Bord gehabt habe. Die Kapitänin wolle er im Gefängnis sehen, so Bessone. Außerdem teilt er einen Post, in dem die AfD-Spitzenpolitikerin Beatrix von Storch den Friedensnobelpreis für Matteo Salvini fordert.

 

Auf Twitter liefern sich die User mit den Hashtags #IoStoConSalvini und #IoStoConCarola heftige Diskussionen.

“Zuallererst stehe ich auf der Seite der Personen, die gerettet werden müssen”, sagt hingegen Arno Kompatscher. In einem Interview mit dem Corriere betont der Landeshauptmann: “Es gilt, im Rahmen der Gesetze zu handeln, aber vor allem anderen kommt die Pflicht zur Menschlichkeit.”