Gesellschaft | Umfrage

Wer will Österreicher werden?

Fast zwei Drittel der Südtiroler halten den Doppelpass für keine allzu gute Idee, die Mehrheit würde ihn auch nicht beantragen. Das belegt eine neue Studie.
Passaporto
Foto: AANC

Den Befund teilen die Universitätsprofessoren am Schluss mit: Die Südtiroler sind nicht an der österreichischen Staatsbürgerschaft interessiert.

Basis für diese Schlussfolgerung ist eine Studie, die am Mittwoch Vormittag im Café Prückel im 1. Wiener Gemeindebezirk präsentiert wurde. Insgesamt 700 Südtiroler (446 Angehörige der deutschen, 217 der italienischen und 33 der ladinischen Sprachgruppe) haben Max Haller, Günther Pallaver, Francesco Palermo und der Wissenschaftler Hermann Atz – die Leiter des Forschungsprojektes – im Frühjahr befragt. Mit der repräsentativen Stichprobe wollte die Michael Gaismair Gesellschaft in Bozen “die wirkliche Einstellung der Südtiroler Bevölkerung” zum Vorschlag der ÖVP-FPÖ-Regierung ermitteln, die den Südtirolern deutscher und ladinischer Muttersprache in Aussicht gestellt hatte, die österreichische Staatsbürgerschaft zusätzlich zur italienischen zu erwerben.

“Die Ergebnisse im Hinblick auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sind eindeutig”, heißt es am Mittwoch Vormittag in Wien.
Die zentralen Ergebnisse der Studie:

 

Keine allzu gute Idee für die große Mehrheit

 

Nur ein Viertel (25%) der Befragten halten die Doppelstaatsbürgerschaft für eine sehr gute oder gute Idee, 32% finden, es sei eine problematische Idee, und fast ein Drittel (31%), sie sei überhaupt abzulehnen. Das bedeutet, dass nahezu zwei Drittel (63%) der Südtiroler Bevölkerung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache grundsätzlich eher skeptisch bis negativ gegenüberstehen.  

 

Erwartungsgemäß stehen die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe der Idee der Doppelstaatsbürgerschaft mit großer Mehrheit (71%) kritisch gegenüber. Aber auch in der deutschen Sprachgruppe überwiegen die kritischen Stimmen mit 62% deutlich.

 

 

Vermutete Auswirkungen auf das Zusammenleben

 

Eine deutlich ablehnende Haltung der Südtiroler zur kollektiven Verleihung der Doppelstaatsbürgerschaft kommt auch zum Ausdruck, wenn man nach ihren Auswirkungen für das Zusammenleben in Südtirol fragt. Insgesamt sind nur 10% der Meinung, dieses würde dadurch gefördert, jedoch 40%, es würde Beeinträchtigungen erleiden; 36% sehen keine Auswirkungen, weitere 15% wollen keine Einschätzung dazu abgeben.

 

Eventuelle Annahme des österreichischen Angebots

 

12% der Befragten würden das Angebot einer österreichischen Staatsbürgerschaft auf jeden Fall in Anspruch nehmen, 22% unter Umständen, 60% würden das Angebot “sicher” ausschlagen. Der Unterschied zwischen den Sprachgruppen fällt auch bei dieser Frage kaum ins Gewicht: 68% der Südtiroler italienischer und 58% deutscher Muttersprache würden sicher keinen Antrag stellen.

 

Ein Hinweis, dass den Südtirolern die Frage der möglichen Auswirkungen der doppelten Staatsbürgerschaft bewusst ist, geht aus der Beantwortung folgender Frage hervor, die nur an jene Gruppe von Befragten gerichtet wurde, die sicher oder eventuell die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen würden: “Würden Sie auf die zusätzliche österreichische Staatsbürgerschaft am Ende doch verzichten, wenn absehbar ist, dass diese Möglichkeit das friedliche Zusammenleben der Sprachgruppen gefährdet?” Diese Frage bejahten 43% der Befragten mit “ja, auf jeden Fall”, weitere 27% mit “ja, unter Umständen”; nur 9% würden trotzdem darum ansuchen. Deutlich seltener mit “ja, auf jeden Fall” antworten die deutschsprachigen Südtiroler (36% gegenüber 62% bei den italienischsprachigen); zählt man aber jene dazu, die dies unter Umständen tun würden, verschwindet der Unterschied. Nicht darauf verzichten würden nur 11% der Deutsch- und 7% der Italienischsprachigen.

 

Das Fazit der Forschungsleiter fällt folgendermaßen aus: “Anders als immer wieder behauptet, hat die überwiegende Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung nicht den Wunsch, zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft zur italienischen verliehen zu bekommen. Sie steht einer solchen kollektiven Verleihung vielmehr sehr skeptisch gegenüber, nicht zuletzt deshalb, weil sie darin eine Gefahr für das Zusammenleben sieht. Dabei gibt es – und dies ist ein Hauptbefund dieser Studie – kaum Unterschiede zwischen den deutsch-, ladinisch- und italienischsprachigen Südtirolern.