Kultur | Bozner Tram

Die Schienen-SASA

Kein englischer Name wie beim Safety Park, keine zweisprachige Lösung mit Doppelname oder farbigen O am Ende. Einfach nur Tram. Allein schon deshalb wird sie ein Erfolg.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: silbenton | Tram Berlin

Text: Thomas Huck

In Zusammenarbeit mit der Architekturstiftung Südtirol / in collaborazione con la Fondazione Architettura Alto Adige.

 

Dagen H (TAG H) - Nirgends wurde die Straßenbahn so pragmatisch, zeitlich präzise und so offensichtlich für den Autoverkehr abgeschafft wie in Schweden. Mit der Umstellung auf Rechtsverkehr am 3. September 1967 um 5 Uhr morgens wurden landesweit alle Straßenbahnen - da links fahrend - eingestellt. Nur einige wenige überlebten, diese aber bis heute.

 

Was mit der Tram in Bozen passieren wird, entscheiden die Bürger. Zwar nicht wirklich, da es sich um ein beratendes Referendum handelt, aber sie dürfen mitreden. Zwar nicht die, die die Tram bräuchten und vermutlich benutzen werden und sollen. Die Pendler, die mit ihren Autos zurzeit täglich den Verkehr von außerhalb nach und durch Bozen treiben und dort öffentliche Flächen zuparken. Dafür aber die, die Nachteile befürchten. Die Anrainer entlang der Strecke, die sich natürlich Fragen wieso sie eine Oberleitung vor dem Fenster haben sollen oder jene die befürchten, dass sie es nicht nur hören, sondern auch fühlen werden, wenn die Tram vorbeifährt. Die, die zum Einkaufen um die Ecke eh zu Fuß gehen bzw. zur Arbeit weiterhin den Bus benötigen. Aber wie bei der U-Bahnsteuer in Großstädten profitieren nicht nur die U-Bahnbenutzer, sondern auch die Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger, welche weniger Verkehr auf der Straße haben.

 

Verkehrsplanung ist Stadtentwicklung

 

Zwar wird die Tram mit ihren 17,4 km/h, welche sie auch noch auf der selben Strecke zurücklegt wie der Bus, keine wirklichen Neuheiten bringen, aber Sicherheit. Die Sicherheit, dass es 21 Minuten von Sigmundskron zum Bahnhof Bozen sind, sichergestellt durch intelligente Ampelschaltungen und Vorfahrt für Schienenfahrzeuge. An einer eigenen Spur mangelt es leider noch. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in Bozen mag zwar höher sein, als die der Tram. Sie beträgt in den Stoßzeiten jedoch schnell nur noch 8-10 km/h. Wer es eiliger hat, schafft die gleiche Strecke mit dem Zug in 14 Minuten, aber nur direkt zum Bahnhof Bozen und muss dann wieder auf den Bus umsteigen. Da bietet die Tram ein viel größeres Angebot an Haltestellen.

 

Egal ob Tram, Bim oder Straßenbahn, viele Städte schicken die Züge wieder durch die Stadt und die Bevölkerung scheint es zu danken. Das Umsteigen vom Auto auf die Tram fällt nachweislich leichter, als auf den Bus. Auch die Orientierung im Öffinetz scheint mit der Tram einfacher zu sein. Eine Tram fährt wichtige Punkte an, egal ob touristisch bedeutsamer Ort oder Verkehrsknotenpunkt. Selbst für den Fußgänger sind Schienen eine Orientierungshilfe.

 

 

So scheint Bozen auf dem richtigen Weg zu sein, fast. Es fehlt noch ein langfristiger „Tramplan“. Denn die Verlängerung ins Überetsch und eine mögliche zweite Strecke durch Don Bosco sind nicht wirklich eine Entwicklungsstrategie. Wie viele Linien würde Bozen überhaupt benötigen? Wo sollten diese verlaufen? Wo wird in Zukunft gebaut oder gewohnt? Ist man bereit, den Autoverkehr zweitrangig zu behandeln? Wo müsste man mögliche Trassen freihalten? Es sollte nicht nur auf den Status Quo reagiert werden. Verkehrsplanung ist Stadtentwicklung und somit auf die Zukunft ausgerichtet. Das beste Beispiel dafür ist Bozen selbst. Verband die alte Tram noch die drei getrennten Gemeinden Bozen, Gries und Zwölfmalgreien, gehören diese inzwischen zusammen. Auch die ehemalige außerstädtische Linie nach Leifers trug ihren Teil dazu bei, das Dorf so attraktiv zu gestalten, dass langfristig eine Stadt daraus werden konnte.

 

 

 

Als Beispiel für eine solche Entwicklungsstrategie gilt der Netzplan M für Wien aus dem Jahr 1974, welcher bis heute als Grundlage für den Schienenausbau gilt. Nach über 40 Jahren hat man nämlich noch immer nicht die endgültige Ausbaustufe erreicht. Dies ist auch nicht das Ziel und ist auch gar nicht mehr möglich. U-Bahnen wurden als Straßenbahnvarianten und Liniengabelungen als Linienkreuze realisiert oder Gebiete ganz anders besiedelt. Ziel dieser Variante war es vielmehr, dem Umstand der langwierigen Bauzeit in Etappen gerecht zu werden und bereits Jahrzehnte vorab ein System zu entwickeln, nach dem gebaut werden sollte. Man definierte Zielpunkte, Stationen, Linienabstände, Kreuzungspunkte…

Damit wollte man verhindern, dass es im Laufe der Zeit aufgrund des Bedarfs bzw. Dringlichkeit zu Fehlentscheidungen bzw. kurzfristigen Entscheidungen kommt.

Ein gutes Beispiel dafür ist Berlin, zwar mag es geschichtlichen Umständen geschuldet sein, doch gibt es dort zehn U-Bahnstrecken für neun Linien. Zumindest bezeichnet man die unzähligen Vorleistungen für nie realisierte Streckenabschnitte und stillgelegte Teillinien als U10. Eine Straßenbahn mag zwar keine U-Bahn sein, ist aber für eine Kleinstadt ein vergleichbarer Kraftakt. Und wenn ein Grundstück erstmal verbaut ist bzw. eine Straße gebaut, ist dort nur mehr schwer eine (autofreie) Schiene verlegbar (Auch hier ist Bozen selbst das beste Beispiel, mit der alten Überetscher Bahntrasse oder der Drususstraße).

 

Deshalb sollte man am 24. November nicht über das jetzige Projekt abstimmen, mit einer von vielen möglichen Linien im Mischverkehr, sondern darüber, ob Bozen beginnen soll, ein auf der Straßenbahn basierendes öffentliches Nahverkehrssystem aufzubauen.