Politik | Exit-Strategie

“Das ist nicht Südtirol”

Der Landeshauptmann kritisiert die Regierung in Rom offen und scharf. Auch die Kaufleute jaulen auf – und wollen entgegen der staatlichen Ankündigungen am 4. Mai öffnen.
Arno Kompatscher
Foto: Othmar Seehauser

Enttäuscht. So haben nicht nur viele Bürger auf die Pressekonferenz von Ministerpräsident Giuseppe Conte am Sonntag Abend reagiert. “Falscher Ansatz der Regierung für Phase 2”, stimmt nun Landeshauptmann Arno Kompatscher mit scharfer Kritik in den Chor derer ein, die sich eine andere Vorgehensweise beim Weg aus dem nunmehr siebenwöchigen Lockdown gewünscht hatten.

 

“Zentralistischer Fahrplan”

 

Es war kurz nach 20.20 Uhr als Giuseppe Conte am Sonntag das Wort ergriff und den Inhalt seines neuen Dekrets präsentierte, in dem der Fahrplan für die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die neuen Regeln für die gesellschaftlichen Kontakte und die Freizeitaktivitäten der Bürger festgelegt wurde. Der Detailhandel soll ab 18. Mai wieder aufsperren dürfen, für Bar-, Gastronomie- und Friseurbetriebe heißt es bis mindestens Juni warten.

“Zu spät und zu zaghaft” kommen die ab 4. Mai in Aussicht gestellten Lockerungen für Landeshauptmann Kompatscher. Insbesondere der Handel, der Tourismus, aber auch Friseure und Schönheitspfleger bräuchten eine klare, zeitnahe Perspektive für die Wiederöffnung, so Kompatscher in einer Stellungnahme. Die im Dekret enthaltenen Regeln, Termine und Auflagen seien zudem “von einem zentralistischen und bürokratischen Ansatz geprägt, der Ausdruck eines mangelnden Vertrauens des Staates in seine Bürgerinnen und Bürger ist”.

In den Videokonferenzen mit den Regierungsvertretern hatte Kompatscher mehrmals gefordert, dass man für die Phase 2 auf staatlicher Ebene nur Leitlinien und Kriterien erlässt. “Man hätte es den Regionen und Autonomen Provinzen überlassen sollen, unter Berücksichtigung der jeweiligen epidemiologischen Entwicklung jene Regeln festzulegen, die den spezifischen Bedürfnissen der lokalen Wirtschaft in angemessener Weise Rechnung tragen”, so der Landeshauptmann nun. “Leider haben Präsidenten anderer Regionen diesen autonomistischen Ansatz nur kurzzeitig vertreten und sich dann doch mit detaillierten zentralstaatliche Regeln einverstanden erklärt – wohl um nicht selbst Verantwortung übernehmen zu müssen.”

 

Herausgekommen sei jetzt “eine weitere zentralistische Regelung”, die es kaum möglich mache, auf spezifische Notwendigkeiten der Südtiroler Wirtschaft gesondert einzugehen. “Außerdem wird es so nahezu unmöglich, schneller zu öffnen, auch wenn die epidemiologische Entwicklung und das verantwortungsbewusste Verhalten der Bevölkerung dies zulassen würden”, meint Kompatscher weiter.

 

“Nicht Südtiroler Charakter”

 

In Südtirol habe die verantwortliche Politik “von Anfang an einen Ansatz gewählt, der auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger in einer reifen, von Gemeinsinn geprägten, Gesellschaft aufbaut – und wir sind damit nachweislich gut gefahren, obwohl es immer wieder Kritik daran gegeben hat”, fährt der Landeshauptmann fort. “Der römische Ansatz, der Bürgerinnen und Bürger quasi entmündigt und einen immensen Kontroll- und Überwachungsaufwand nach sich zieht, entspricht weder der realen Situation in Südtirol, noch dem Südtiroler Charakter.”

Kompatscher kündigt an, weiterhin alles dafür zu tun, “um die Auswüchse und Folgen der römischen Herangehensweise bestmöglich abzumildern und gleichzeitig vehement eine Ausdehnung der autonomen Spielräume einfordern”.

 

Kaufleute: “Uns platzt der Kragen”

 

Arno Kompatscher ist nicht der einzige, der poltert. Vom Handels- und Dienstleistungsverband hds heißt es am Montag Vormittag: “Wir gehen auf die Barrikaden!” In einer Aussendung macht hds-Präsident Philipp Moser öffentlich Druck auf die Politik: “Jetzt ist endgültig Schluss, unsere Geduld ist am Ende! Ministerpräsident Conte hat am Sonntag für unsere derzeit geschlossenen 3.700 Einzelhandelsbetriebe samt Tausenden von Beschäftigten eine katastrophale Entscheidung getroffen: Diese können nicht wie bereits mehrmals angekündigt nach 53 Tagen Zwangsschließung am 4. Mai öffnen, sondern erst zwei Wochen später am 18. Mai. Mir und Tausenden weiteren Unternehmern platzt der Kragen Wir werden kämpfen. Wir brauchen eine autonome Lösung für Südtirol, denn wir wollen am 4. Mai arbeiten! Unsere Mitgliedsbetriebe halten zusammen, und wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Druck aufbauen. Dieses abermalige Vertrösten nehmen wir nicht mehr hin und ist absolut nicht akzeptabel. Unsere politischen Entscheidungsträger in Rom, aber auch im Land und die Landesregierung müssen jetzt für eine autonome Lösung kämpfen. Der 4. Mai muss für unsere Geschäfte Wiedereröffnung bedeuten. Wir fordern dies von unseren gewählten Vertretern und lassen uns mit dieser Vertröstungstaktik nicht mehr lange auf den Arm nehmen. Jetzt muss endlich jemand die Verantwortung für dieses katastrophale Vorgehen und für das sich anbahnende Betriebssterben sowie für die Arbeitsplatzvernichtung übernehmen.”

Der hds rufe “auf jeden Fall alle Einzelhändler auf, sich für den 4. Mai vorzubereiten – etwa mit allen entsprechenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen für Kunden und Mitarbeiter, Beschilderungen und Zuteilung der Mitarbeiter”.

 

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Salto User
simon tinkhauser Do., 30.04.2020 - 16:24

Antwort auf von Peter Gasser

Der Lockdowwn in Deutschland ist in keinster Weise mit dem in Italien vergleichbar, eher mit der Situation in Schweden...
Daher wissen wir nicht, ob meine Meinung einer Minderheit angehört. Ich möchte die Ergebnisse dieser Umfrage sehen, wenn die Deutschen 2 Monate lang die italienischen Maßnahmen gehabt hätten...

Do., 30.04.2020 - 16:24 Permalink
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Profil für Benutzer Klaus Griesser
Klaus Griesser Do., 07.05.2020 - 19:08

Die Lockerung des lockdowns hat in ganz Europa begonnen. Das bedeutet Beginn zur Beseitigung der Folgeschäden , der Staat verspricht Gelder und es entstehen die Warteschlangen mit Gedränge. Die ersten die ihr großes Händchen aufhalten:
in Deutschland VW (Abwrackprämie), in Italien der Tourismus, in Südtirol der HGV u die SBB- Bonzen (Prämien). Und mancher zornige Bürger hackt inzwischen auf den Lehrern und Kindergärtnerinnen herum. Ohne Rücksicht darauf, dass viele Menschen arbeitslos - mittellos geworden sind, die Miete nicht bezahlen können, nicht die PCs haben um dem Unterricht via Internet zu folgen. Wer legt die Regeln in der Schlange fest? Im Moment die Wirtschaftslobbys. Es kann-, nein! es darf nicht sein, dass der großen Mehrheit der BürgerInnen nur die Hoffnung bleibt...

Do., 07.05.2020 - 19:08 Permalink