Vom Meer in die Mauer
Aus dem Meer in die Mauern holt Marco Caniato Mikroplastik. Der Forscher und Dozent der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik an der Freien Universität Bozen will damit einen konkreten Beitrag zur Reduzierung des Plastikmülls in den Ozeanen leisten. Seine patentierte Erfindung: ein Schaumstoff zur akustischen und thermischen Dämmung von Gebäuden, der aus Mikroplastik gewonnen werden kann.
Die patentierte Erfindung beruht auf der Nutzung eines Biopolymers, das sich als extrem effizientes thermisches und akustisches Isoliermaterial erwiesen hat. In Zusammenarbeit mit der Universität Triest hat Caniato dieses Polymer aus einem Extrakt der Meeresalge Agar Agar entwickelt, ein Polysaccharid, das häufig als rein pflanzliches Geliermittel mit der Konsistenz eines Gels verwendet wird, und in diesem Fall nach Zugabe von Kalziumkarbonat mit pulverisiertem Kunststoff vermischt wird.
Um dem in den Ozeanen am weitesten verbreiteten Mikroplastik möglichst nahe zu kommen, verwendeten die Forscher Kunststoffabfälle aus dem Industrie- und Haushaltsbereich (Polyethylen, PET-Flaschen, expandiertes und geschäumtes Polystyrol). Nach dem Gelieren werden die Proben 12 Stunden lang bei -20 °C eingefroren und anschließend gefriergetrocknet, um das Wasser zu entfernen. Das Endprodukt ist ein poröses Material, das zum Beispiel als Alternative zu Steinwolle verwendet werden kann. Doch nicht nur das Produkt selbst, auch sein Herstellungsprozess, ist umweltfreundlich. So wird selbst das Wasser wiederverwendet, das am Ende der Gefriertrocknung nach dem Auftauen abgegeben wird.
Die Entwicklung solch innovativer Technologien zur Abfallverwertung sind in der Wissenschaft keine Neuigkeit, erklärt Caniato. So wurde beispielsweise ermöglicht, Glaspulver als Füllstoff für Beton oder Kunststoffabfälle als Füllstoff für Asphaltmischungen zu verwenden. Neu ist dagegen die Idee, die Plastikpartikel aus den Meeren zu verwerten. Dies scheiterte bisher auch an der Vermischung dieser Partikel mit anderen Abfällen sowie Meersalz, die eine Wiederverwertung schwierig machen. “Unsere Charakterisierungstests haben bestätigt, dass unser Produkt hervorragende Dämmeigenschaften hat und problemlos mit herkömmlichen Dämmstoffen wie Steinwolle oder Polyurethanschaumstoffen mithalten kann”, unterstreicht Caniato. “Wir haben bewiesen, dass es mit einem nachhaltigen, sauberen und ökologischem Ansatz möglich ist, Meeresabfälle zu recyceln und daraus ein sowohl ökologisch wie auch wirtschaftlich überzeugendes Produkt herzustellen.”
Das wissenschaftliche Paper Acoustic and thermal characterization of a novel sustainable material incorporating recycled microplastic waste, in dem auch genaue Daten zu akustischen und thermischen Dämmeigenschaften des neuen Materials zu finden sind, wurde im Journal Sustainable Materials and Technologies veröffentlicht.
Das macht Fragen in mir.
Das macht Fragen in mir.
Wie wird wohl das Microplastik aus dem Meer gefiltert werden? Riesige ultrafeine Netze? Recycling der Fischmägen von Käpt‘n Iglo’s Stäbchenproduktion? Verwertung des Beifangs der Fischfangflotten … oder überhaupt der Flotten, nachdem das Meer leergefischt sein wird?
Vielleicht soll aber einfach durch aktives Zerreiben unseres Plastikabfalls die Anreicherung der Ozeane mit Microplastik beschleunigt werden. Rentabilität steigt dadurch auf jeden Fall … tja, das könnte es sein!
Ganz blick ich da nicht durch
Ganz blick ich da nicht durch! Dieses Glump in Mauern einzuarbeiten ist der gleiche Blödsinn wie mit Polystyrol zu dämmen. Und wie man damit einen "konkreten Beitrag zur Reduzierung des Plastikmülls" hinbekommen will, entzieht sich sowieso meinem Vorstellungsvermögen.
Ich möchte eine Lanze brechen
Ich möchte eine Lanze brechen für die Freiheit der Forschung. Nehmen wir mal an, dass sowieso irgendwann irgendjemand das im Meer schwimmende Plastik wieder rausholen muss. Initiativen und Ideen gibt es dazu bereits mehrere. Dann macht es Sinn, dass sich jemand wie Herr Coniato Gedanken dazu macht, was man mit dem ganzen Zeug anstellen kann. Die Forschung legt Ideen und Lösungen vor, die dann von der Industrie aufgegriffen werden können oder auch nicht. Fragen zur Sinnhaftigkeit des Ergebnisses der Forschung sind aber durchaus hilfreich und legitim.