Wirtschaft | Kein Ende in Sicht

Der Flughafen-Streich

Das Land steigt aus der ABD aus, Leifers setzt konkrete Schritte gegen die Verlängerung der Flughafenpiste. Doch der Versuch droht, ins Leere zu laufen.
Landebahn Flughafen Bozen
Foto: LPA/Arno Pertl

Das Timing könnte man als perfekt bezeichnen. Während Giovanni Seppi am Dienstag kurz vor Mittag im Leiferer Stadtrat hockt, erhebt sich Arno Kompatscher von der Sitzung der Landesregierung. Es ist die 40. in diesem Jahr. Bis zur Bildung des neuen Kabinetts bleibt die Landesregierung geschäftsführend im Amt. Und eigentlich ist es Usus, dass sie bis dahin nur verwaltungstechnische Beschlüsse trifft.
Doch an diesem Dienstag steht eine folgenschwere Entscheidung an. Daher tritt der Landeshauptmann auch vor die Medienvertreter, um sie zu verkünden.
Ein schicksalshafter Beschluss steht just am selben Tag auch auf der Tagesordnung des Stadtrates von Leifers. Als Vizebürgermeister Giovanni Seppi von den Neuigkeiten aus Palais Widmann hört, ist er entsetzt. “Wir sind ehrlich enttäuscht”, gesteht er, “und als Leiferer noch mehr”.

Es geht um den Bozner Flughafen, den Ausstieg des Landes und die Verlängerung der Landebahn. Gegen die Leifers vorgehen will. Aber dabei nicht auf die Unterstützung der Landesregierung hoffen darf.

 

Zähe Streichung

Seit einigen Jahren versucht man in Leifers, die Verlängerung der Flughafen-Landebahn aus dem gemeindeeigenen Bauleitplan zu streichen. Die letzte Regierung Durnwalder hatte die Verlängerung der Piste auf Leiferer Gemeindegrund am 4. Februar 2013 per Beschluss festgelegt. Entsprechend wurde der Bauleitplan der Gemeinde 2013 angepasst. Von 1.294 auf 1.432 Meter kann die Piste verlängert werden.
Dann kommt der 12. Juni 2016. Über 70 Prozent der Abstimmenden sprechen sich an jenem Tag in einer landesweiten Volksbefragung gegen eine weitere öffentliche Finanzierung des Flughafens aus. Umgehend nach der Abstimmung kündigt die Landesregierung an, auf jegliche Erweiterung verzichten zu wollen.

Doch für einen privaten Betreiber, an den die öffentliche Flughafengesellschaft ABD nach der Volksbefragung veräußert werden soll, besteht die Möglichkeit, die Piste zu verlängern, weiterhin.
Um auf Nummer sicher zu gehen, fordern die Grünen im November 2017 im Landtag die Landesregierung auf, die Streichung von Amts wegen vorzunehmen. Doch der Landeshauptmann sieht damals “keinen Handlungsbedarf”.

 

Nägel mit Köpfen

Geht auch gar nicht, erklärt Mobilitätslandesrat Florian Mussner noch im heurigen Sommer. Denn den ersten Schritt müsse die Gemeinde Leifers ergreifen. Erst dann könne die Landesregierung tätig werden und die Pistenverlängerung rückgängig machen. Aus Leifers sei aber noch kein Antrag eingegangen, bestätigt Mussner Anfang Juli.
“Weil wir wussten, dass es kein einfaches Verfahren wird, haben wir uns Zeit genommen”, erklärt der Leiferer Vizebürgermeister Giovanni Seppi (SVP) heute. Ein Jahr lang hat man in den Gemeindestuben an dem Antrag gearbeitet, Gutachten eingeholt, die technischen Voraussetzungen geprüft und die Bestimmungen der nationalen Luftfahrtbehörde ENAC studiert. Jetzt ist das Papier picobello fertig. Am Dienstag beschließt der Stadtrat in Leifers die Änderung des Bauleitplanes und damit die Streichung der Pistenverlängerung einzuleiten. “Das sind wir der Bevölkerung schuldig”, betont Seppi.

Ab Veröffentlichung des Stadtrat-Beschlusses sind 30 Tage Zeit, um Stellungnahmen einzureichen. “Die ABD hat eine Stellungnahme vorgezogen”, verrät Seppi, “die kann sie neu deponieren”. Anschließend kommt die Bauleitplanänderung in die Landesraumordnungskommission und, weil auch eine Landschaftsschutzplanänderung vorgesehen ist – geht es nach den Leiferern, soll auf dem Gelände, das für die Pistenverlängerung vorgesehen ist, ein Biotop entstehen – auch in die Landschaftsschutzkommission. Die beiden Kommissionen geben ein – nicht bindendes – Gutachten ab. Anschließend ist der Gemeinderat von Leifers am Zug, der über die Streichung abstimmen muss. “Hoffentlich einstimmig”, meint Seppi. Nach “vier bis sechs Monaten” geht der Vizebürgermeister aus, wäre dann die Landesregierung am Zug – und müsste ihrerseits die Bauleitplanänderung annehmen.
Müsste…

 

Platzt der Leiferer Plan?

Lange getüftelt hat man auch in Bozen. Und zwar an der Ausschreibung der ABD. Über ein offenes Verfahren will das Land ihre 100 Prozent an der Flughafenbetreibergesellschaft abstoßen. Am Dienstag ist endlich der entsprechende Beschluss da. Um 3,8 Millionen Euro wird die ABD veräußert. In den kommenden Tagen soll die Ausschreibung veröffentlicht werden. Dann sind 60 Tage Zeit, um Angebote einzureichen. Entscheiden wird das wirtschaftlich günstigste Angebot, sprich, nicht allein der gebotene Preis zählt. Sondern auch die Qualität.

Die Auflagen, die der Käufer einhalten muss: Gebäude und Flächen sind zweckbestimmt, sie dürfen einzig und allein für den Flughafenbetrieb genutzt werden. “Der Private kann damit nicht machen, was er will, etwa ein Hotel darauf bauen”, erklärt Landeshauptmann Arno Kompatscher. Außerdem muss sich der Käufer verpflichten, sämtliche Auflagen der ENAC im Zusammenhang mit dem Bozner Flughafen zu erfüllen – wie es die ABD schon war. “Dazu gehört, den Flughafen-Masterplan von 2011 und die darin vorgesehenen Investitionen umzusetzen”, meint Kompatscher.

Und zieht dann ein Detail aus dem Hut, das nicht nur Giovanni Seppi in Leifers den Atem stocken lässt. “Unter anderem muss die Landebahn verlängert werden”, sagt Kompatscher. Wer also den Flughafen übernehmen will, muss sich verpflichten, die Piste von 1.294 auf 1.432 Meter auszubauen. Jene Piste, deren Verlängerung der Leiferer Stadtrat zur selben Zeit beschließt, aus seinem Bauleitplan zu streichen. “Dass in Sachen Piste der Masterplan einzuhalten ist, ist keine Idee von uns, sondern eine Auflage der ENAC, die übrigens heute schon für die ABD gilt”, versucht der Landeshauptmann eine Rechtfertigung. “Davon, dass der Ausbau der Piste ein Muss ist, war bisher nie die Rede, das ist mir neu”, kontert Giovanni Seppi.

 

Private am Zug

Bei der Interessenbekundung, die die Landesregierung im Vorfeld der Ausschreibung im Spätsommer 2017 gestartet hatte, waren drei Angebote eingelangt. Eines vom SAD-Besitzer Ingemar Gatterer. Ursprünglich war die Rede davon, dass er gemeinsam mit der LiBUS in den Flughafenbetrieb einsteigen könnte, doch LiBUS-Chef Markus Silbernagl hat salto.bz inzwischen bestätigt, dass es dazu nicht kommen wird: “Das ist nicht unsere Branche.” Das zweite Angebot stammte vom Bozner Multiunternehmer Josef Gostner. Und das dritte von der Handelskammer Bozen.
Dass die Landesregierung die Streichung der Pistenverlängerung nicht in Betracht zog, interpretierten die Grünen vor einem Jahr so, “dass man private Interessenten am Flughafenbetrieb nicht verschrecken” wolle.

Während die SAD bereits offen angekündigt hat, einen Ausbau der Landebahn ins Auge zu fassen – ein im November des Vorjahres aufgetauchtes internes Papier bestätigt die Pläne –, hat Gostner kein Interesse an einer Verlängerung bekundet. Sollte er sich tatsächlich an der Ausschreibung beteiligen, würde er wohl leer ausgehen – zumal der Zuschlag für die ABD-Beteiligung des Landes an die Verlängerung gebunden ist.
Doch noch ein Szenario ist möglich: “Ich gehe davon aus, dass wir alle drei gemeinsam an einem Strick ziehen werden”, meinte Gostner vor einem Jahr zu salto.bz. Sprich, die drei Interessenten SAD, Gostner und Handelskammer könnten am Ende zusammenarbeiten. “Ich habe darüber konkret mit der Handelskammer schon gesprochen”, so Gostner im November 2017.

 

Ist das möglich?

Doch bevor die Nachfolgefrage beantwortet ist – es gilt zu schauen, wer welche Angebote innerhalb der festgelegten Frist einreicht –, muss eine ganz andere Frage geklärt werden: Wenn im Masterplan die Pistenverlängerung auf 1.432 Meter vorgeschrieben ist und der Käufer der ABD sich daran halten muss – dann wird die Landesregierung der Streichung der Verlängerung aus dem Leiferer Bauleitplan nicht zustimmen (können), oder?
“Dazu kann ich momentan keine Aussage treffen.” Die Antwort von Arno Kompatscher fällt spärlich aus – doch in Leifers ist man alarmiert. “Die Frage ist, ob das Land die Streichung einfach beschließen kann, wenn die ENAC-Auflagen die Verlängerung vorsehen”, meint der Landeshauptmann. Es sei jedenfalls “rechtlich zu überprüfen, ob das möglich ist”. Im Alleingang könne die Gemeinde Leifers die Streichung jedenfalls nicht durchführen, erinnert Kompatscher.

Giovanni Seppi ist enttäuscht, gesteht er offen – “wir sind enttäuscht, als Leiferer noch mehr”. Er und seine Mitstreiter wollen aber “alles mögliche tun, um die Pistenverlängerung zu verhindern”.
Beistand kommt vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz. “Die von der Gemeinde Leifers bereits eingeleitete Bauleitplanänderung erscheint inkompatibel mit der Ausschreibung zu sein”, schreiben die Umweltschützer in einer Aussendung – und stellen eine weitere Frage in den Raum: “Wie lässt sich die Verpflichtung der Pistenverlängerung mit dem Kaufpreis der ABD (3,8 Millionen Euro) und den dafür notwendigen Flächen, die das Land Südtirol vor Jahren um gut 9 Millionen Euro angekauft hat, vereinbaren?” “Das wird hoffentlich der Rechnungshof genauestens prüfen”, heißt es vom Dachverband.

Knapp zweieinhalb Jahre nach der Volksbefragung steigt das Land aus dem Flughafenbetrieb aus. Und schlägt damit die Tür für weitere öffentliche Finanzierungen endgültig zu. Während die Tür für Private, den Flughafen auszubauen, weiterhin offen bleibt.

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Hans Hanser Di., 13.11.2018 - 19:34

Wahrlich, geschickt getimed, das muss man ihm lassen, dem Saubermann vom Schlern. Gezweifelt, auch da muss ich zustimmen, nicht wirklich. Riecht für mich aber doch irgendwie nach Betrug am Wählerwillen....

Di., 13.11.2018 - 19:34 Permalink
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Profil für Benutzer Günther Mayr
Günther Mayr Mi., 14.11.2018 - 05:02

Wir haben über die Finanizierung des Flughafens mit öffentlichem Geld abgestimmt und über nichts anderes.

Mi., 14.11.2018 - 05:02 Permalink