„Auf dem Rücken der Schüler “
-
Als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern, als Elternvertreterin in einem Schulrat und als Lehrperson an der WFO Bruneck möchte ich Stellung nehmen zur letztens in den Medien vielfach zitierten Aussage, dass die Lehrerpersonen ihre Forderungen nach angemessener Besoldung und nach Wertschätzung ihres Berufsbildes mit der angekündigten Aussetzung von außerschulischen Tätigkeiten nicht auf dem Rücken der Schüler austragen sollten.
Diese Aussage bedarf einer anderen Wahrnehmung: Denn es sind nicht die Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Forderungen auf dem Rücken der Schüler austragen, sondern es ist die Landespolitik beziehungsweise ihre mit dem Sparstift angesetzte Bildungspolitik, die auf dem Rücken der von Kindern und Jugendlichen und folglich auf Kosten nächster Generationen und einer ganzen Gesellschaft ausgetragen wird.
Das Berufsbild von Lehrerinnen und Lehrern hat sich massiv verändert.
Es ist Tatsache, dass ausgebildetes, qualifiziertes Personal im Ausland bleibt, kündigt oder mittlerweile sich beruflich anderweitig orientiert!
Es ist Tatsache, dass unbedingt notwendige und längst überfällige Gehaltsanpassungen der öffentlich Bediensteten trotz gebetsmühlenartig wiederholter Ankündigungen und trotz eines Rekordhaushaltes bislang ausgeblieben sind! Es ist Tatsache, dass das Vertrauen in die Landesregierung inzwischen derart gesunken ist, dass man nurmehr sichtbaren und realistischen Fakten auf dem Lohnzettel vertraut! (siehe Ankündigungen des Landeshauptmanns A. Kompatscher bei der Pressekonferenz am 27.05.2025). Es ist auch eine Tatsache, dass eine grundlegende Kenntnis von den vielseitigen und intensiven Anforderungen an das Berufsbild einer Lehrperson im Jahre 2025 in der Gesellschaft fehlt. Das Berufsbild hat sich mittlerweile aufgrund einer heterogenen, digitalisierten und in ihren Ansprüchen individualisierten Gesellschaftsentwicklung massivst geändert und kann nicht mehr mit dem Berufsbild längst vergangener Schulzeiten verglichen werden!!„Es ist Tatsache, dass unbedingt notwendige und längst überfällige Gehaltsanpassungen der öffentlich Bediensteten trotz gebetsmühlenartig wiederholter Ankündigungen und trotz eines Rekordhaushaltes bislang ausgeblieben sind!“
Diese Tatsachen führen mittlerweile bei vielen Lehrpersonen zu Frustration und Demotivation und senken mittel- wie langfristig den hohen qualitativen Bildungsstandard Südtirols, der auch eine künftige Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr garantieren kann. Machen nicht erst gesunde Arbeitsbedingungen, marktgerechte Vergütungen, langfristige Perspektiven und Planungssicherheiten ein gutes und erfolgreiches Unternehmen aus? Tragen nicht engagierte, motivierte Mitarbeiter*innen zu einem erfolgreichen Unternehmen bei? Sollten diese Rahmenbedingungen nicht auch für die Schule gelten? -
Die Bildung ist ein Bürgerrecht, ein wesentliches Element der Demokratisierung, der Schlüssel für gesellschaftliche Teilnahme. Natürlich schmerzt es auch die Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie ihren bildungspolitischen Auftrag gerade bei außerschulischen Tätigkeiten nicht mehr vermitteln. Wo lässt sich als Geschichtelehrerin, die ich bin, die Tragweite und sinnlose Absurdität eines Krieges besser vermitteln als auf dem Waldfriedhof von Bruneck, wo lassen sich die Abläufe in einem Unternehmen besser verstehen als in einem Betrieb vor Ort…
„Die Bildung ist ein Bürgerrecht, ein wesentliches Element der Demokratisierung, der Schlüssel für gesellschaftliche Teilnahme.“
Auch als Mutter tut es mir sehr leid, wenn meine Kinder ihre Naturverbundenheit und ihre sozialen Kompetenzen nicht mehr bei einem Baumfest stärken. Aber gerade – und hier schreibe ich als Mutter und Lehrerin –, weil uns unsere Kinder, ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre Zukunft sowie die Bildungspolitik und das Schulsystem ein großes Anliegen sind, ist das für das Schuljahr 2025/26 vorgesehene Aussetzen von außerschulischen Tätigkeiten nicht eine Maßnahme, die auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen ausgetragen wird. Oder richtet sich der Streik im öffentlichen Nahverkehr seit Neuestem auch gegen seine Passagiere? Diese Maßnahme ist ein mahnender und wohlüberlegter Schritt für eine wettbewerbsfähige und demokratische Bildungsgesellschaft der Zukunft!
Nun liegt es an der politischen Vertretung zu zeigen und vor allem zu beweisen, wie viel ihnen die Bildung und folglich die Gesellschaft wert sind!
Karin Niederbacher, Oberschullehrerin für Deutsch und Geschichte an der WFO Bruneck
-
Weitere Artikel zum Thema
Politics | BildungGehaltsschub für das Lehrpersonal
Society | Bildung„Früher kamen sie aus Österreich zu uns“
Politics | SchuleAb Herbst keine Ausflüge mehr
Nachdem nun nacheinander…
Nachdem nun nacheinander Herr Achammer als Bildungslandesrat, Frau Amhof als Personallandesrätin und Herr Kompatscher als Finanzlandesrat und Landeshauptmann dieselben Ankündigungen bezüglich Einmalzahlungen, Inflationsausgleich und struktureller Gehaltserhöhung ab 01.01.2026 getätigt haben, muss man davon ausgehen, dass Taten folgen werden.
Sollte das nicht der Fall sein, wäre es eine Katastrophe für den Bildungsstandort Südtirol. Eine nähere Erläuterung dieser Aussage würde den Rahmen eines Kommentars sprengen.
Antwort auf Nachdem nun nacheinander… von Martin Sitzmann
Kompatscher scheint nun…
Kompatscher scheint nun Moneten herausrücken zu wollen. Man wird sehen.
Antwort auf Nachdem nun nacheinander… von Martin Sitzmann
Glauben Sie auch an den…
Glauben Sie auch an den Weihnachtsmann?
Antwort auf Glauben Sie auch an den… von Margareth Fink
Wenn schon, dann ans…
Wenn schon, dann ans Christkind. Aber auch das nicht... ;-)
Was ich hingegen schon glaube:
1. Die gegenwärtige Bewegung und Entschlossenheit der Lehrer*innenkollegien hat die Verantwortlichen aus jahrelanger Lethargie aufgeschreckt.
2. Das Bemühen um bessere Entlohnung ist nun endlich ehrlich gemeint.
3. Die hohen Erwartungen der Lehrpersonen werden sich nicht bewahrheiten - es wird ein Kompromiss sein, wie bei jedem Kollektivvertrag.
4. Die Lawine der Protestankündigungen ist nun schon zu weit gerollt, als dass sie mit Ankündigungen für den Herbst aufzuhalten wäre.
5. Das nächste Schuljahr wird also allen aufzeigen, was es bedeutet, wenn ein essentieller Dienst wie die Schule eine echte Einschränkung erfährt.
6. Die Schüler*innen werden ein Jahr ohne Ausflüge überleben.
7. Bildungsorientierte Eltern werden sich mehr anstrengen müssen, die Lücke durch Familienausflüge zu kompensieren.
8. Die Bildungsungerechtigkeit wird dadurch zunehmen.
Antwort auf Wenn schon, dann ans… von Martin Sitzmann
So ist es.
So ist es.
Werte Kollegin Niederbacher,…
Werte Kollegin Niederbacher, herzlichen Dank für dieses kernige Statement. Ein toller Text, werde ihn gleich weiterleiten.
Angesichts eines…
Angesichts eines durchschnittlichen Vollzeitgehalts in Südtirol von weit über 2.000 Euro ist das Einstiegsgehalt einer Lehrkraft von 1.800 Euro beschämend! Es liegt sogar unter dem Verdienst vieler Berufe, die traditionell geringer entlohnt werden. Das Anfangsgehalt sollte stattdessen bei mindestens 2.200 Euro liegen, mit einer automatischen Erhöhung alle drei Jahre. Die Aktion 'Unterricht nach Vorschrift' war daher längst überfällig.
Antwort auf Angesichts eines… von Ida Heller
Brutto, oder netto?
Brutto, oder netto?
Antwort auf Brutto, oder netto? von Manfred Gasser
Netto etwas über 1800, mit…
Netto etwas über 1800, mit Zweisprachigkeitsnachweis und bei Vollzeitauftrag.
Übrigens: Ich als Schulführungskraft verdiene soviel wie 1,5 Lehrpersonen mit meinem aktuellen Dienstalter, altrochè überbezahlte Führungskräfte... ;-)
Auch die Schulführungskräfte kämpfen seit langem für einen Inflationsausgleich, wie er den anderen Führungskräften des Landes bereits genehmigt worden ist, bisher vergeblich... vielleicht müssten wir auch einmal Dienst nach Vorschrift machen.
Antwort auf Netto etwas über 1800, mit… von Martin Sitzmann
Ein mickriges Gehalt, direkt…
Ein mickriges Gehalt, direkt lächerlich für eine Führungskraft.
Ich hatte ganz ähnliche…
Ich hatte ganz ähnliche Gedanken vor ein paar Tagen - sogar mit gleicher Überschrift :-)
https://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=92186