Politik | Neue Spielregeln

Durchregieren bis auf Abteilungsebene

Sogar der Gemeindenverband hat jede Zurückhaltung abgelegt und die Neubesetzung der Abteilung Natur, Landschaft, Raumentwicklung gefordert. Das ist wohl Demokratie 4.0.
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  • Die Landesregierung hatte damit ein gewichtiges Argument mehr in der Hand, um die Neubesetzung zu beschließen. Von außen betrachtet, ist eine solche Entscheidung nicht nur an objektiven Kriterien festzumachen, sondern fällt auch in das Ermessen in Bezug auf Opportunität und strategische Weichenstellungen. Kurios ist, dass die Kompetenz für die Ernennung bei der Landesregierung liegt. Die Trennung zwischen Politik und Verwaltung scheint ein Relikt beiseitegelegter demokratischer Spielregeln. Nun wird ohne Umschweife politisch entschieden und Punkt. An dem Beispiel wird offenkundig, dass managementmäßiges Durchregieren das neue politische Leitbild darstellt. Die Vertikalisierung der Landesverwaltung geht, wie es aussieht, einher mit einem Durchgriffsrecht der Landesregierung bis auf die Ebene der Abteilungen. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass ein Interessenverband sich unverblümt in eine Entscheidung der Landesverwaltung einmischt. Die Einflussnahme wäre über informelle Kanäle erfolgt. Die in den Medien wiedergegebene saloppe Aussage, es gehe darum „gemeinsam etwas weiterzubringen“, lässt Rückschlüsse auf eine gewisse Erwartungshaltung zu. Sollen sich öffentlich Bedienstete als willfährige Erfüllungsgehilfen der Politik erweisen? Das würde auf einen erstaunlichen Mangel an demokratischer Kultur und an Respektlosigkeit vor dem Gemeinwohlauftrag der öffentlichen Verwaltung schließen lassen. Die Politik hat aufgrund ihrer Steuerungsrolle entscheidenden Anteil daran, ob dieser umgesetzt wird oder nicht.

  • Regeln hinterfragen anstatt Funktionär:innen anzupatzen

    Eigentlich sind ja die Gesetze dazu da, einen rechtlichen Rahmen abzustecken, damit Land und Gemeinden bei ihren politischen und verwaltungstechnischen Entscheidungen das Allgemeinwohl in den Mittelpunkt stellen. Die gesellschaftliche Wertverpflichtung und daran angedockte Entwicklungsszenarien als mittel- und langfristige Zielsetzung sollten dafür sorgen, dass sich eine Kultur in der Wahrnehmung des Allgemeinwohls entwickelt. Zu beobachten ist jedoch eine gegenläufige Praxis. Bei unklaren Situationen und Interessenkonflikten wäre es geboten und notwendig, das gesellschaftliche Wertegebäude, die Präzision und die kontextmäßige Passung der Regeln zu überprüfen anstatt die Funktionär:innen der öffentlichen Verwaltung anzupatzen. Die Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeit der Gesetze und der Verwaltungsvorschriften ist manchmal das Ergebnis schludriger Gesetzgebungsverfahren, aber in vielen Fällen auch auf widersprüchliche politische Kompromisse zurückzuführen, wo allen ein bisschen Recht gegeben wird. Solchermaßen werden häufig Spielräume geschaffen, damit die Umsetzung eine Frage der Interpretation bleibt und die Verwaltung unter Druck gesetzt werden kann. Um solche Spielchen zu vermeiden, sollte der Gesetzgeber ausgewogene Verfahren und klare Bewertungskriterien definieren. Damit wird ein nachvollziehbarer Rahmen für die Umsetzung legitimer privater Interessen geschaffen, der zugleich gewährleistet, dass Gemeinwohlanliegen gebührend berücksichtigt werden.

  • Planungskultur und -grundsätze statt anlassbezogener Entscheidungen

    Auf politischer Ebene ist somit eine fundierte Planungskultur und deren verfahrensmäßige Ausgestaltung wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Planungsgrundsätze müssen über einen längeren Zeitraum Bestand haben und sollten nicht anlassbezogen unterlaufen werden. Während privaten Interessen durch gezieltes Lobbying Gehör verschafft wird, bleibt aus Sicht der breiten Öffentlichkeit offen, wer das Allgemeininteresse bei konkreten politischen und verwaltungsmäßigen Entscheidungsprozessen artikuliert und argumentativ kompetent in einem Verfahren vertritt. Wenn die politische Ebene auf eine bestimmte Interpretation der Bestimmungen besteht, ist die weisungsgebundene Verwaltung nur im hierarchischen Wege dazu berechtigt, anders gelagerte Interpretationen zur Sprache zu bringen. Wenn sich die politischen Verantwortungsträger ihrer Sichtweise zuwiderlaufenden Argumenten verschließen, gelangt die für den Entscheidungsprozess ausschlaggebende Abwägung unterschiedlicher Positionen gar nicht an die Öffentlichkeit. Damit tun sich die Menschen schwer, manche Entscheidungen nachzuvollziehen. Mit solchen Grundsatzfragen und Verfahrens wird sich nun der neue Abteilungsdirektor Florian Zerzer auseinandersetzen müssen, wenn er, wie gewünscht, die Abläufe beschleunigen und die Effizienz verbessern soll.

    Auf Landes- wie auf Gemeindeebene ist seit geraumer Zeit eine unverhohlene Ungehaltenheit der Verantwortungsträger spürbar, wenn die Funktionär:innen der öffentlichen Verwaltungen oder technische Beratungsgremien im Zuge von Genehmigungsverfahren Entscheidungen treffen, die nicht den Zielen der politischen Mehrheit entsprechen. Solche Vorkommnisse spiegeln auf lokaler Ebene die auf internationaler und innerstaatlicher Ebene beobachtbare Tendenz der Machthaber, die politischen Vorhaben kraft Mehrheitsentscheid durchzudrücken und rechtsstaatliche und verwaltungsmäßige Regeln als zweitrangig und vernachlässigbar zu betrachten. Nennen wir das Phänomen Trumpismus oder Melonismus, um es anschaulich zu beschreiben. Beispiele hierfür liefern beide am laufenden Band.

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Peter Gasser Do., 07.08.2025 - 07:29

Antwort auf von Peter Gasser

Nachtrag - Zitat: “Die Vertikalisierung der Landesverwaltung geht, wie es aussieht, einher mit einem Durchgriffsrecht der Landesregierung bis auf die Ebene der Abteilungen”:
da der Abteilungsleiter seinerseits Weisungsbefugnis nach unten hat, wird bis auf den Tisch des Sachbearbeiters (politisch) durchregiert, womit die Objektivität des Verwalters gegebenenfalls ausgehebelt ist.

Do., 07.08.2025 - 07:29 Permalink
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Herta Abram Do., 07.08.2025 - 08:15

Was Macht macht!
Abgesehen, bedenklicher Charaktereigenschaften der Personen, zeigt dieses Zerzerschauspiel, dass vielen in der SVP post|faschistisches, patriarchales Denken und Handeln viel näher ist, als sich um Demokratiestärkung und Demokratieweiterentwicklung zu bemühen.

Do., 07.08.2025 - 08:15 Permalink