Gedenken ohne Barrieren

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Im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim in Oberösterreich startete dieses Jahr das Projekt „Unsere Geschichte(n)“. Das Projekt soll die Barrierefreiheit in der Ausstellung und in der Gedenkstätte stärken und Menschen mit Behinderung aktiv in die Erinnerungsarbeit einbinden.
Das Konzept umfasst verschiedene Maßnahmen, um Barrieren abzubauen, unter anderem für Menschen mit Sehbehinderung, Hörbehinderung und neurodivergente Menschen. Eine konkrete Maßnahme ist das inklusive Sicherheits- und Evakuierungskonzept, welches die Verantwortlichen erarbeiteten.
Der Projektmanager Arjun Pfaffstaller ist Südtiroler und hat selbst eine schwere Sehbehinderung. Er ist Experte für Barrierefreiheit und Inklusion. Darüber hinaus beschäftigt er sich professionell mit Ableismus - also der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung.
Auf Grund knapper finanzieller Ressourcen sei volle Barrierefreiheit für kleine und mittelgroße Museen und Gedenkorte nur sehr schwer umsetzbar, meint Pfaffstaller. Trotzdem sei es auch hier wichtig, Barrierefreiheit zu implementieren und zu fördern. Der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim arbeitet daran, Barrieren für unterschiedliche Gruppen von Menschen mit Behinderungen abzubauen.
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Ein Ort mit Vergangenheit
Schloss Hartheim war lange Zeit eine Pflegeanstalt für Menschen mit Behinderung. Von Mai 1940 bis Ende 1944 war das Schloss eine Tötungsanstalt für die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programme „Aktion T4“ und „Sonderbehandlung 14f13“. Nahezu 30.000 Menschen mit Behinderung und erkrankte beziehungsweise geschwächte KZ-Häftlinge, sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, wurden dort in diesen Jahren ermordet. Die historischen Tötungsräume sind in der Gedenkstätte nach wie vor erhalten, damit der Erinnerungsprozess in Gang gehalten wird.
Seit 2003 dient das Schloss als Lern- und Gedenkort. Die Dauerausstellung „Wert des Lebens“ thematisiert die Geschichte von Behinderung, aber auch die Bewertung und Optimierung des Menschen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die als „unbrauchbar“ definiert wurden und werden. Gleichzeitig wird in der Ausstellung auch ein kritischer Blick auf den Menschen als optimierbares Wesen geworfen. Die Themen sollen die Besucherinnen und Besucher dazu anregen, über den eigenen Alltag und den Umgang mit Menschen mit Behinderung zu reflektieren.
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Partizipation ermöglichen
Pfaffstaller betont, wie wichtig Projekte wie dieses für die Selbstbestimmung der Community von Menschen mit Behinderungen sowie für die Erinnerungskultur seien. Aufgrund seiner Geschichte war es bereits bei der Eröffnung des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim im Jahr 2003 wichtig, relativ barrierearm zu sein. Trotzdem gab es Raum für Verbesserung.
„Barrierefreiheit braucht es, um Partizipation für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen und sie aktiv in die Wissensvermittlung und Erinnerungskultur einzubinden", erklärt Pfaffstaller. „Das ist gerade für einen Ort wie Schloss Hartheim zentral, wo Menschen mit Behinderung früher massenhaft ermordet wurden.“
Im Disability Pride Month, welcher jedes Jahr im Juli stattfindet, wird auch aufgezeigt, wie wichtig die Geschichte von Behinderung und die Teilhabe an der eigenen Erinnerungskultur sind. Das Projekt „Unsere Geschichte(n)“ soll Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit geben, ihre eigene Geschichte zu erfahren und ihre Erinnerungskultur zu fördern und weiterzuentwickeln.
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