Gesellschaft | SALTO change

Ein Bergwerk voller Edelsteine

Was trage ich zum Menschheitswohl bei? Diese Frage führt zum Kern der ethischen Grundlagen des Gesellschafts- und Organisationsmodells von Kambiz Poostchi. Er war kürzlich zu Gast im UFO in Bruneck.
 Kambiz Poostchi
Foto: UFO/Niedermair
  • Der Dialogabend im Brunecker Jugend- und Kulturzentrum UFO versuchte zu ergründen, wie eine neue, ethisch fundierte Sicht auf den Menschen, auf Organisationen und auf die Gesellschaft entstehen kann, die die Menschheit in eine gute Zukunft führt. 

    Zu Gast war der Architekt, Organisationsentwickler und Philosoph Kambiz Poostchi, der mit dem Open System Model ein stimmiges und auf ethische Prinzipien aufgebautes Organisationsmodell entwickelt hat. OSM hat sich nicht nur als wirksamer Turbo für Unternehmen und Organisationen erwiesen, sondern kann auch auf die menschliche Gesellschaft als globales Ganzes übertragen werden. 

  • SALTO change im Dezember: ETHIK DES WANDELS

    „Die Ethik des Wandels“, so lautet das SALTO change Monatsthema im Dezember. Los geht es schon am 3. Dezember mit der Partner-Veranstaltung start.klar. im UFO bei der Kambiz Poostchi zu Gast ist, der sein Organisationsmodell auf einem ethisch geprägten Welt- und Menschenbild aufbaut. Im Laufe des Monats folgen weitere Vertiefungen dieses umfassenden Themenbereiches. 

  • Schätze und Potenziale ans Tageslicht bringen

    Im Zentrum der Einstiegsanalyse von Kambiz Poostchi stand die Einsicht, dass wir heute an einer historischen Schwelle stehen, an der die bisherigen, von Hierarchie, Fragmentierung und Konkurrenz geprägten Organisationsmodelle ihre Wirksamkeit verlieren. Um diese zu überwinden, darf Ethik nicht als moralisierender Zusatz verstanden werden, sondern wird im Denkgebäude von Poostchi zur notwendigen Grundlage systemischer Entwicklung, die auch von einem ethisch fundierten Menschenbild getragen wird. 

    Jeder einzelne Mensch wird dabei nach alter Bahai-Weisheit als ein „Bergwerk voller Edelsteine von unschätzbarem Wert“ beschrieben. Diese unabhängig von Herkunft oder Lebensform im jedem schlummernden einzigartige Potenziale können zum Wohl des Ganzen gehoben werden. Poostchi bezeichnete es als gemeinschaftliche Aufgabe, diese Schätze und Potenziale ans Tageslicht zu fördern.  

  • Für Eure Anregungen, Vorschläge und für Eure Kritik sind wir dankbar: Schreibt ganz einfach an: [email protected]

  • Individuelle Reifung und gemeinschaftliche Verantwortung.

    Dieses Menschenbild unterscheidet sich grundlegend von den dualistischen Vorstellungen vergangener Macht- und Organisationsstrukturen, in denen Menschen in „ich/wir“ und „die anderen“, in Zugehörige und Ausgeschlossene, in Freund und Feind eingeteilt wurden. Solche Kategorien sind Produkte eines fragmentierten Denkens, das nach Aussage von Poostchi unweigerlich Konflikte erzeugt und die Entwicklung des Einzelnen wie der Gemeinschaft blockiert.

    Ethik bedeutet in diesem neuen Verständnis zweierlei: die intensiven Bemühungen, die eigene Persönlichkeit hin zu Reife, Exzellenz und Charakterstärke zu entwickeln und gleichzeitig die Verpflichtung, aktive Beiträge zum Wohl der Gemeinschaft zu leisten – nicht nur für die eigene Familie oder Gruppe, sondern zum Wohl der gesamten Menschheit, die Kambiz Poostchi als übergeordnetes System versteht und dessen Bedarfe in den nachgeordneten Systemen erkannt und befriedigt werden müssen, wenn das große Ganze zum Wohle aller funktionieren soll. 

    Persönliches Wachstum ohne Weitergabe und Beitrag führt zur Stagnation, so wie eine Quelle, die nicht fließt, unweigerlich trübe wird. Umgekehrt verliert gesellschaftliches Engagement ohne innere Entwicklung seine Kraft und Richtung. Die ethische Bestimmung des Menschen liegt daher in diesem unauflösbaren Wechselspiel von individueller Reifung und der Wahrnehmung gemeinschaftlicher Verantwortung.

  • Intensiver Austausch: Kambiz Poostchi und startklar-Moderator Markus Lobis Foto: UFO/Niedermair
  • Aktive Gestaltung, statt passiver Widerstand

    Diese doppelte Aufgabenstellung gewinnt laut Kambiz Poostchi vor allem deshalb an Bedeutung, weil wir in einer weltweiten „Sturm-und-Drangzeit“ leben, einem kollektiven Reifeprozess, in dem sich alte Strukturen auflösen und neue erst erahnt werden können. Die Vielzahl der Krisen – in sozialen Systemen, in Beziehungen, in der Wirtschaft, im Klima – ist nicht zufällig. Poostchi beschrieb Krisen als Feedback-Schleifen, die uns zeigen, dass das überlieferte fragmentierte Denken an seine Grenzen stößt. Sie können eine ethische Funktion erfüllen: Sie fordern uns auf, unser Verhalten, unser Bewusstsein und unsere Prioritäten zu überdenken, statt lediglich zu versuchen, den vorherigen Zustand wiederherzustellen. 

    Jede Krise, so Poostchi, enthält eine Lektion, und wenn die Lektion nicht gelernt wird, wiederholt sie sich, oft intensiver.

    Gleichzeitig betonte Kambiz Poostchi, dass ethisches Handeln nicht in einer Anti-Haltung bestehen kann. Viele Mensen wissen heute sehr genau, was sie nicht wollen, aber kaum, was sie wollen. Ethik verlangt jedoch, den Schchritt vom „Weg-von“ zum „Hin-zu“ zu vollziehen: vom passiven Widerstand zur aktiven Gestaltung. Er unterscheidet deshalb in seiner Lehre zwischen zerstörerischen Kräften, die sich im Auflösungsprozess verlieren, verwirrten Kräften, die orientierungslos bleiben, vernünftigen Kräften, die das größere Ganze erkennen, und schließlich jenen, die als „Einheitsstifter“ aktiv an der neuen Ordnung mitwirken. Voraussetzung dafür ist die Abwendung des Individuums vom Auflösungsprozess des Alten, hin zum entstehenden Aufbauprozess. 

  • Entwicklung und Mündigkeit ermöglichen

    Ethisches Bewusstsein zeigt sich genau in dieser Richtungsänderung – im Ergreifen von Verantwortung, im Hinwenden zu Modellen, Visionen und konkreten Formen, die dem neuen Ganzen entsprechen.

    Solche Modelle betreffen auch Organisationen. Da Organisationen lebende soziale Organismen sind, benötigen sie Strukturen, die Entwicklung und Mündigkeit ermöglichen, statt Abhängigkeit zu erzeugen. Ethik spiegelt sich darin wider, wie Organisationen Zugehörigkeit, Achtsamkeit und Sinn ermöglichen und ob sie Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen ihre Potenziale entfalten und zum Gemeinwohl beitragen können.

    Der ethische Kern des start.klar.-Dialogabends am 3. Dezember im UFO Bruneck lässt sich in einer Frage bündeln, die heute für Individuen, Familien, Partnerschaften und Unternehmen gleichermaßen gilt: „Was ist mein Beitrag zum Wohl der Menschheit?“ In einer global vernetzten Welt, in der die Menschheit erstmals als eine einzige gemeinsame Einheit erkennbar ist, kann Ethik nicht mehr nur lokal oder partikular gedacht werden. Sie fordert eine Haltung, die den Menschen in seiner Ganzheit sieht, seine Potenziale entfaltet und zugleich die Verantwortung für das größere Ganze übernimmt.