Natur, Kultur, Mensch

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Vom 3. bis 12. Oktober 2025 wird Bozen zum erneuten Mal Austragungsort der BAW (Bolzano Art Weeks) sein. Das kollektiv zusammengebraute Kunstfestival – es ist de 5. Ausgabe – rückt alljährlich städtische, soziale, politische und natürliche Strukturen der Südtiroler Landeshauptstadt stärker in den Fokus – „interpretiert durch vielfältige Formen und Zugänge aktueller Kunst“, so die Veranstalter.
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Remapping LAND/marksEines der Siegerprojekte vom vergangenen Jahr: Eine Arbeit der Künstlerin Agata Torelli im Semirurali-Park in Bozen. Foto: Fanni Fazekas
Für die Ausgabe 2025 wurde wiederkehrend ein internationaler Call for Artists zum Thema Remapping LAND/marks ausgeschrieben. Mitgemacht haben knapp über 100 Künstlerinnen und Künstler (und Kollektive). Eine Jury (Elsa Barbieri, Angelika Burtscher, Valerio Dehò, Giacinto Di Pietrantonio, Shona Kitchen, Rudolf Frey, Eleonora Klauser Soldà, Kathrin Oberrauch, Leonie Radine und Tommaso Tisot) wählte fünf Projekte aus, bei welchen „das Jahresthema besonders überzeugend“ aufgriffen wurde. Sie stammen von Jacopo Mazzonelli, Kata Hinterlechner, Martina Fontana (Kurator: Simone Sensi), dem Collettivo Éclat sowie Christine Runggaldier.
„Die fünf Arbeiten greifen auf jeweils eigene Weise das zentrale Prinzip der BAW – Alles für Alle – auf“ und erweitern diese Idee zu einer umfassenden Vision, „die den Menschen nicht isoliert betrachtet, sondern ihn als Teil eines größeren Ganzen begreift“. Die gezeigten Projekte – sie werden jeweils mit 2000 Euro bezuschusst und in verschiedenen Stadtgegenden positioniert –, wollen „das Verhältnis zwischen Natur und Kultur neu definieren“, heißt es in der Aussendung.Sieger und Siegerinnen 2025Wurzeln oder Baumstamm?: Ob Wachstum der weit verbreiteten Knolle in der Arbeit "Propagation" oder der Ginkgo-Baum von "Ec(h)o-es in the Rings" im kunstfreundlichen Campofranco – zwei Eindrücke zu zwei siegreichen Arbeiten bei BAW 2025. Foto: BAWDas künstlerische und performative Projekt Strange Pianos des Trentiner Künstlers Jacopo Mazzonelli widmet sich „der Wiederentdeckung seltener und kostbarer Musikinstrumente, die zu Kunstobjekten transformiert werden“. Es sind nicht „museale Exponate“, sondern präsentieren sich als „sensible Körper“, wobei „Geste und Klang in eine intime Beziehung“ treten. Die Instrumente werden durch eine „poetische und sinnliche Aktivierung“ inszeniert, das Konzept „Landmarks“ als bloßes Denkmal oder Grenze hinterfragt.
Das von Simone Sensi kuratierte Projekt Reginae der Künstlerin Martina Fontana ließ sich von einem Bienenvolk inspirieren, einem guten und natürlichen Beispiel „für ein hochkomplexes, kooperatives Zusammenleben, bei dem jedes Individuum mit seiner Tätigkeit zum Überleben des Ganzen beiträgt.“ Die Arbeit zeigt dem Prinzip der Gleichwertigkeit folgend eine raumgreifende Installation aus „zellenartigen Strukturen und kokonähnlichen Gebilden“ in Menschengröße. Die Besucherinnen und Besucher können die „Raumeinheiten“ betreten und mit ihnen interagieren. Summ, summ, summ...
In diesem Ökosystem, das wie ein einziger großer Organismus funktioniert, ist jedes Element gleichwertig und unverzichtbar.
Klänge, Kartoffeln, Klaviere: Die Arbeiten "Strange Pianos", "220 Hz" und "Reginae" wurden aus über 100 Einreichungen ausgewählt. Foto: BAWDie Brixner Künstlerin Christine Runggaldier bewegt sich in ihrer Arbeit Propagation zwischen Skulptur, Zeichnung und Installation. Sie widmet sich einem ungewöhnlichen Thema: dem Vermehrungsprozess der Kartoffel. Ihre Arbeit stelle ein „visuelles Plädoyer“ dar, heißt es in der Ankündigung, für das „Recht von Pflanzen, sich auszubreiten, zu überleben und ihren essenziellen Beitrag zum Gleichgewicht des Zusammenlebens aller Lebewesen zu leisten.“
Die österreichische Künstlerin Kata Hinterlechner macht mit ihrer Arbeit 220 Hz eine eigentlich „unhörbare Klangwelt erfahrbar“: die Stimme des Bozner Untergrunds. Mithilfe eines speziellen Aufnahmegeräts und eines eigens entwickelten Mikrofons nimmt die Künstlerin Geräusche auf, „die in der verborgenen Welt unter städtischen Gärten, Wiesen, Feldern und Wäldern entstehen“. Die Aufnahmen der Künstlerin bilden die Grundlage für eine „immersive Klanginstallation“ und „stellen das gängige, menschenzentrierte Weltbild in Frage.“ Dabei wird ein „posthierarchisches, kooperatives Verständnis von Lebensräumen in den Fokus“ gerückt. Endlich!
Pflanzen, Pilze, Insekten und Mikroorganismen. Es geht um gleichberechtigte Akteure eines unsichtbaren aber essenziellen Netzwerks.
Im Zentrum des Projekts Ec(h)o-es in the Rings des Collettivo Éclat (kuratiert von Michelle Nuccio und Riccardo Molteni) steht der Gingko-Biloba, der seit fast 200 Jahren im Innenhof des Palais Campofranco in der Bozner Altstadt wächst. Der langlebige Baum – einst ein Geschenk von Kaiserin Sissi an ihren Onkel Erzherzog Rainer von Habsburg – wird im Rahmen des Kunstprojekts auf „nicht-invasive Weise dendrochronologisch untersucht.“ Das Kollektiv will dadurch eine „ökologische Erinnerung“ freilegen und die Geschichte der umgebenden Landschaft neu erzählen. Der bereits kunsterprobte Ginkgo soll zum lebendigen Archiv und stillen Zeugen (s)einer oft übersehenen Vergangenheit werden.
Ginkgo statt Benko kommt einem da unweigerlich in den Sinn. Die BAW-Macher*innen warten wohl ähnlich gespannt auf die Umsetzung dieser Arbeit, wie der alte Baum und die geschäftstüchtigen Leute im Campofranco.Die BAW 2025 vereint über 100 Veranstaltungen von ebenso vielen Partnerinnen und Partnern an mehr als 70 Orten Bozens.
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