Die Speisekarte der Steinzeit

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Hunger ist der beste Koch, vor 15.000 Jahren genauso wie heute. Die neue Sonderausstellung des Südtiroler Archäologiemuseums wirft einen Blick auf die Speisekarte unserer Vorfahren: auf die Herkunft, die Zubereitung und das Haltbarmachen der wichtigsten Nahrungsmittel, die in den letzten 10.000 Jahren von Menschen konsumiert wurden.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf lokalen Ernährungsgewohnheiten und regionalen archäologischen Funden. Eingebettet in kulturhistorische Aspekte zur Verbreitung von Lebensmitteln belegen zahlreiche Beispiele den Jahrtausende alten Ursprung heutiger Ess- und Trinkgewohnheiten. Die Sonderausstellung ist ab heute, Dienstag 28.11.2023, bis Sonntag 3. November 2024 zugänglich.
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Elisabeth Vallazza: „Was wir essen oder nicht essen, ist heute zunehmend Ausdruck unseres Lebensstils und unserer Wertehaltung.“ Foto: Südtiroler Archäologiemuseum
Die Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseum, Elisabeth Vallazza meint zur Ausstellung: „Was wir essen oder nicht essen, ist heute zunehmend Ausdruck unseres Lebensstils und unserer Wertehaltung. Jahrtausendelang war die Beschaffung von Nahrung hingegen eine Frage des Überlebens. Die Menschen waren mit ihrer Umwelt bestens vertraut, das grundlegende Wissen um das Jagen und Sammeln, später um Ackerbau und Viehhaltung waren die Basis des täglichen Lebens.“
Die AusstellungIn einem Ambiente moderner Tafelkultur tauchen Besucherinnen und Besucher in eine kulinarische Zeitreise ein. Die erste Etappe dieser Reise bietet einen umfassenden historischen Überblick über die Herkunft und Verbreitung der wichtigsten Nahrungsmittel in Europa und im Alpenraum. Es werden archäologische Funde wie Nahrungsreste und Gerätschaften aus der Zeit von der Mittelsteinzeit bis zur Römerzeit (9.000 v. Chr. – 400 n. Chr.) präsentiert, die spannende Einblicke in die Herstellung, Zubereitung und den Verzehr von Nahrungsmitteln seit der Urgeschichte ermöglichen.
Kulturhistorische Aspekte der Ernährung und Nahrungsgeschichte werden den Ausstellungsgästen auf interaktive Weise durch speziell gestaltetes Tischbesteck nähergebracht. Ein Kuchlkastl öffnet dabei die Tore zu Wissenswertem und Kuriosa rund um Eigenarten und Notwendigkeiten in der Ernährung vergangener Epochen.
Die Endstation der Reise bildet der detailgetreue Nachbau einer römischen Latrine, verziert mit zeitgenössischen Graffitis. Dieser Abschnitt enthüllt nicht nur Informationen über die Geschmacksvorlieben unserer Vorfahren, sondern auch die überraschende Tatsache, dass das heutzutage meist als stilles Örtchen bekannte WC früher ein lebhafter Treffpunkt für unterschiedlichste Art von Geschäften sein konnte.
Die Grundnahrungsmittel und ihre BeschaffungFleisch von Wildtieren und Fisch sind seit der Steinzeit eine bedeutende Nahrungsquelle so wie heute. Mit Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen im 6. Jahrtausend v. Chr. werden Nutztiere wie Schaf, Ziege, Rind und Schwein nach Europa und Südtirol eingeführt, ab der Eisenzeit folgt auch das Huhn. Archäologische Funde belegen zudem, dass ab der Jungsteinzeit Milch zu Butter, Joghurt und Käse verarbeitet wird.
Getreide stellt heute wie damals das Hauptnahrungsmittel weltweit dar. Den Getreideanbau und unterschiedliche Getreidesorten lernen die alpinen Jäger und Sammler durch Bauern aus Vorderasien kennen, die in mehreren Wellen vor 8.000 Jahren nach Europa wandern. Einkorn, Gerste und Emmer sind in der Jungstein- und Kupferzeit (6000 – 2200 v. Chr.) die dominanten Sorten, während in der Bronze- und Eisenzeit in alpinen Siedlungen vor allem Dinkel und Hirse angebaut wurden. In der Römerzeit (700 v. Chr. – 476/480 n. Chr.) tritt Roggen im Alpenraum auf.
In ihrem Gepäck bringen die Einwanderer aus Anatolien auch proteinhaltige Hülsenfrüchte wie Linsen, Erbsen, Ackerbohnen mit. Im 4. Jahrtausend v. Chr. kommen im Alpenraum aus dem Mittelmeerraum stammende Gewürzpflanzen wie Sellerie, Petersilie und Lauch dazu.
Obst, Gemüse und WeinWildfrüchte leisteten in der Vergangenheit einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung. Gesammelt wurden vor allem Früchte, die teilweise auch heute noch von der lokalen Bevölkerung sehr geschätzt und verarbeitet werden: Haselnüsse, Himbeeren, Walderdbeeren, Brombeeren, Vogelbeeren, Schwarzbeeren, Schlehen usw. Diese vitaminhaltigen Früchte waren in der Ur- und Frühgeschichte von großer Bedeutung, da sie für eine ausgewogene Ernährung sorgten. Obst wie Äpfel, Birnen usw. ist in Europa erst mit Ende der Bronzezeit um 1.000 v. Chr. nachgewiesen, planmäßiger Obstanbau ist seit der Römerzeit bekannt. Der gezielte Anbau von Wein zur Weinherstellung tritt in Südtirol erstmals seit dem 5. Jh. v. Chr. auf.
Pflanzen in der Ernährung sind schwer nachzuweisen. Jedoch erreichen im Mittelmeerraum nachgewiesene Gemüsesorten wie Fenchel, Rote Bete und der Flaschenkürbis ebenfalls durch das römische Reich Bekanntheit in ganz Europa. Zum Süßen von Speisen wird Honig von Wildbienen, später auch in eigens angelegten Bienenstöcken gesammelt.
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