Ein Sommer mit Pauline am Strand

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Noch einmal jung sein, noch einmal völlig gedankenlos den Sommer am Meer verbringen, Zeit totschlagen, sich in Gesprächen verlieren, die Sonne die Haut bräunen lassen, sich verlieben. Pauline am Strand von Éric Rohmer ist der ideale Sommerfilm, er lässt sich inmitten des tiefsten Winters ansehen, um den Sommer zu vermissen, und inmitten der größten Hitze, um die Schönheit dieser Jahreszeit neu wertzuschätzen. Denn während wir schweißtreibend darum kämpfen, einen klaren Gedanken zu fassen, sehnen sich viele Menschen die Kühle des Herbsts herbei. Dabei kann der Sommer wunderbar sein, die richtigen Parameter vorausgesetzt. Einige wurden eingangs erwähnt, und wer sie vergessen (oder verdrängt hat, oder sie sich hat verdrängen lassen), den erinnert Rohmers Film daran. Er sei all jenen, die ihn nicht kennen, wärmstens empfohlen, und alle anderen könnten einen neuen Blick darauf werfen. Auf diese Geschichte, in der die fünfzehnjährige Pauline am titelgebenden Strand irgendwo in der Normandie den Sommer verbringt. Dorthin fährt sie mit ihrer älteren Cousine Marion. Die ist ihren Ehemann gerade erst losgeworden und möchte mit Pauline die heiße Zeit des Jahres am Meer verbringen. In einem Sommerhaus lässt es sich wunderbar aushalten. Vor allem dann, wenn die Gesellschaft gut ist. Am Strand treffen die beiden Pierre, eine frühere Liebe Marions, und einen Freund von ihm, genannt Henri. Wenig später lernt Pauline noch Sylvain kennen, einen Jungen, der nur zwei Jahre älter als sie selbst ist. Wie so oft bei Éric Rohmer stellt sich die eigentliche Geschichte hinten an. Es dominieren die Dialoge, das muss man mögen, um mit diesem Film seine Freude zu haben. Kann man die verspielten Zeilen, die Rohmer seinen Charakteren in den Mund legt, schätzen, darf man sich in angenehm leichtfüßigen Konversationen verlieren. Hauptsächliches Thema ist die Liebe, aus unterschiedlichen Perspektiven. Jene der noch jugendlichen Pauline, die manchmal seltsam altklug daherkommt. Und natürlich jene der Älteren, die die Liebe bereits am eigenen Leib kennenlernten, mit ihr gefochten haben, auch die hässlichen Seiten kennen. Im Verlauf des Films stellt sich trotz aller Euphorie, die der Sommer und das ihm eigene Gefühl der Leichtigkeit hervorruft, irgendwann Ernüchterung ein. Rohmer gaukelt uns lange Zeit vor, in einer Welt ohne Ecken und Kanten zu leben, in der nichts zählt, nimmt uns diese Illusion aber immer wieder, zu den richtigen Momenten, weg.
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Am Ende ist es Pauline selbst, die den wohl besten Satz spricht:
„Ihr redet dauernd von der Liebe… dabei wollt ihr alle bloß geliebt werden.“
Damit fasst sie das eine, große Bedürfnis zusammen, dass alle Menschen vereint. Und wann, wenn nicht im Sommer, lässt es sich vortrefflich über die Liebe philosophieren, sie herbeisehnen, sie vermissen, sie verschmähen. In pittoresken Bildern gekleidet ist Pauline am Strand auch heute noch, 42 Jahre später, ein kleines Glanzstück Kino. Trotz alltäglichen Szenarios und alltäglicher Themen mutet dem Film etwas Magisches an. Vielleicht ist es der Zauber der Jugend, der nostalgische Gefühle hervorruft. Vielleicht ist es aber auch einfach die große Präsenz des Alltäglichen, die im Kino nur allzu oft von herbei geschriebenen Konflikten übertönt wird. -
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