Zutiefst menschlich
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Marika Borsetto arbeitet in der Personal- und Organisationsentwicklung und kümmert sich um Human Resources Management in Unternehmen und Organisationen. Und sie ist Mutter – und was für eine! Der heutige 17. November – der Welt-Frühgeborenen-Tag – ist für sie ein bedeutender Gedenktag, denn er erinnert sie an die dramatische und lebensbedrohliche Situation, in die sie vor über neun Jahren völlig unvorbereitet geraten war, als sie im siebten Schwangerschaftsmonat am HELLP-Syndrom erkrankte. „Ich hatte Bauchschmerzen, übelstes Bauchweh, und habe dann gleich verstanden, dass da etwas ganz Schlimmes passiert", erinnert sie sich.
Die seltene Erkrankung betrifft schwangere Frauen oder auch Frauen im Wochenbett und ist häufig mit einer schweren Präeklampsie – einem starken Anstieg des Blutdrucks – verbunden. „In schlimmen Fällen wird die Geburt eingeleitet, damit das Überleben von Frau und Kind gewährleistet wird", erzählt sie. „Ich kann mich noch genau erinnern, wie das Ärzte-Team nervös wurde. Ich war zehn Wochen vor dem geplanten Geburtstermin, das heißt, mein Sohn und ich waren in der 30. Woche.”
Der Schock war groß, zumal sie und ihr Mann lange auf die nun eingetretene Schwangerschaft gewartet hatten. „Dadurch war der Umgang mit Hoffnung, Verzweiflung und Vertrauen ohnehin schon gelernt", berichtet sie heute, erleichtert über den damaligen Optimismus des Paares.
„Frühchen haben dann wirklich eine extreme Kraft."
Die Ärzte handelten sofort. Das Frühgeborene wog nur 1120 Gramm, war etwa 39 Zentimeter groß und wurde direkt auf die Neonatologie und Neugeborenen-Intensivstation gebracht. Die zu früh gewordenen Eltern standen plötzlich vor einer extrem belastenden Realität: der Ungewissheit, ob ihr Kind überleben würde und gleichzeitig der Angst um Borsettos eigenes Leben.
„Alex hat überlebt, und wir haben das ganz große Glück gehabt, dass er, obwohl er total klein war, bestens versorgt wurde und der Kleine es auch selbst gut gemacht hat", freut sie sich heute. „Diese Frühchen haben dann wirklich eine extreme Kraft, wenn sie es schaffen. Wir hatten großes Glück."
Obwohl das Paar so lange auf ihr erstes Kind gewartet hatte, war es für Marika Borsetto – neben der emotionalen und körperlichen Belastung an der Grenze zwischen Leben und Tod – eine enorme zusätzliche Herausforderung: „Du wartest so lange auf das Kind, und dann darfst du es nicht mit nach Hause nehmen. Das Kind kommt zunächst in den Brutkasten – bei Alex waren es etwa sieben Wochen – und bleibt dort, bis es groß genug ist. Das Kind muss so stark sein, dass es nicht mehr mit der Sonde oder mit der Spritze ernährt werden muss. Erst dann darf es nach Hause."Die Wochen danach verbrachten die Eltern täglich auf der Neugeborenen-Intensivstation. Dort herrschte absolute Ruhe, denn kaum jemand sprach mit dem Anderen – jede Familie war mit ihren eigenen Ängsten und Sorgen beschäftigt. Es sind vor allem die Geräusche der medizinischen Geräte, die Gerüche und Farben, die sich tief ins Gedächtnis einbrannten. „Es sind extreme Sinneswahrnehmungen in einer Krisensituation."
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Als der kleine Alex das Gewicht von 1,8 Kilogramm erreichte, war er stabil genug und konnte ins elterliche Zuhause entlassen werden. Doch die Angst blieb. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder im ersten Jahr als Frühgeborene – also extreme Frühchen wie Alex – am sogenannten Kindstod sterben, ist sehr viel höher als bei gesunden Babys."
Marika Borsetto erwähnt in diesem Zusammenhang auch die jüngsten Fälle von Keimen in der Bozner Frühchenstation, bei denen zwei Kinder Mitte August 2025 nicht überlebten. In solchen extrem sensiblen Bereichen könne aber nie jedes Risiko „vollständig ausgeschlossen werden", unterstreicht sie. Etwaige Fehler müssten natürlich untersucht werden, aber absolute Kontrolle gebe es nicht. Für sie mache gerade dieses Bewusstsein, für diese ständige Gefahr, die Leistung des Personals noch beeindruckender. Denn das ist nichts, worauf Medien mit dem Finger zeigen sollten, sondern etwas, das leider immer passieren kann." Eine Garantie auf (Über-)Leben gibt es nicht.
„Es ist der Dank, der immer im Herzen bleibt."
Heute – neun Jahre später – ist Alex kerngesund und Teil einer glücklichen Familie, hat keine Folgeschäden oder lebenslangen Einschränkungen davongetragen. Die Erfahrung an seinen Start ins Leben bleibt jedoch ein prägender Bestandteil im Leben von Marika Borsetto, ihrem Mann, dem mittlerweile neunjährigen Alex und dessen Bruder.
Mehrfach betont Marika Borsetto im Gespräch, wenn sie sich diese Zeit unter Extremubedingungen in Erinnerung ruft, dass die Ärzte und das Pflegepersonal nicht nur professionell, „sondern auch zutiefst menschlich waren" – eine Haltung, die ihr Vertrauen in die Medizin nachhaltig beeinflusste. „Es ist der Dank, der immer im Herzen bleibt", sagt sie, „der Dank an das Team auf der Station, das all das möglich gemacht hat. Das sind Profis – auch darin, wie sie Menschen in solchen extremen Situationen auffangen”.
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