salto.music | Film | „Alien: Earth“

Von Ende und Unendlichkeit

Vier von acht Episoden der neuen Streaming-Serie „Alien: Earth“ sind bislang veröffentlicht, eine Serie, die sich auf Ridley Scott's Sci-Fi-Klassiker „Alien“ von 1979 bezieht. Wird hier ein Mythos zerstört oder gelingt es, an das Meisterwerk anzuknüpfen?
Alien: Earth (Promo-Poster)
Foto: Disney
  • Was bisher geschah

    „Alien“ (1979) von Ridley Scott ist ein kruder und packender Science-Fiction/Horror-Film, der nach über vierzig Jahren in seinem Genre immer noch zum absolut Besten zählt. Das gemeinsame Essen der Crew auf den Raumfrachter nach dem Besuch des fremden Mondes und die letzten zehn, fünfzehn Minuten des Films haben sich unauslöschlich bei allen eingeprägt, die den Film gesehen haben. Die kalte Atmosphäre, Sigourney Weaver in ihrer Rolle als Ripley, das Setdesign von H.R. Giger, der Mythos um den Xenomorph und der Xenomorph selbst, zeichnen diesen Film unter anderem aus.

    Im Laufe der Jahre gab es etliche Filme, die an „Alien“ andockten: Das hervorragende Sequel „Aliens - Die Rückkehr“ (1986) von James Cameron, „Alien 3“ (1992) finster inszeniert von David Fincher, die beiden fast mythologischen Prequels „Prometheus“ (2012) und „Covenant“ (2017) von Ridley Scott, bis hin zu „Alien: Romulus“ (2024) von Fede Álvarez. Schwach ist eigentlich nur „Alien: Die Wiedergeburt“ (1997) von Jean-Pierre Jeunet; er ist deswegen schwach, weil er einen etwas forciert auf Ripley (Sigourney Weaver) konzentrierten Plot hat.

  • Das außerirdische Wesen kommt auf die Erde und ist in Begleitung: „Alien: Earth“ malt ein düsteres Bild von der Zukunft der Wissenschaft und der großen privaten Körperschaften. Foto: Disney
  • Die Maginot-Linie

    Und jetzt gibt es die Streamingserie „Alien: Earth“, einen Achtteiler, der seit August jeweils mittwochs mit einer neuen Folge auf Disney+ zu sehen ist. Der allgemeinen Begeisterung seitens der Fans und der Kritik können wir uns nur anschließen. Denn die ersten vier Folgen erzählen eine vielschichtige Story, die nahtlos an die ersten beiden „Alien“-Filme anschließt, auch was die Stimmung und die Atmosphäre betrifft. Das Unterfangen funktioniert wunderbar.

    Gleich die erste Folge beginnt mit der Crew des Raumschiffs „Maginot“ im Mannschaftsraum, nachdem sie – wie in „Alien“ – aus dem künstlichen Tiefschlaf geholt wurde. Aber während die „Nostromo“ außerirdisches Leben entdeckt hat und nun damit direkt konfrontiert ist, hat die „Maginot“ außerirdisches Leben als Fracht an Bord. Es kommt zur Katastrophe und das Raumschiff stürzt mitten in eine Großstadt auf dem Planeten Erde.

    Nach den ersten vier Folgen lässt sich weiters sagen: „Alien: Earth“ ist eine Art Crossover der ersten beiden „Alien“-Filme, aus dem Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“ (1982) von Ridley Scott und – so schräg es klingen mag – der Geschichte von Peter Pan, dem Jungen, der nicht erwachsen werden will.

    Was vielleicht verwirrend klingt, funktioniert auf beeindruckende Art und Weise und steuert dieser Serie eine Unmenge an Deutungsmöglichkeiten und Denkanstöße bei. Es macht großen Spaß, den zahlreichen Verweisen nachzugehen, nicht nur in philosophischer Hinsicht, sondern auch in visueller Hinsicht, denn diese reichen von den  bizarren B-Movies aus den 40er- und 50er-Jahren, über den Horror eines H.P. Lovecraft bis hin zum Anime/Manga  „Alita: Battle Angel“.

    Ein Beispiel: Die „Maginot“ hat denselben Namen wie die sogenannte „Maginot-Linie“, die Frankreich im Zweiten Weltkrieg vor der Nazi-Invasion hätte schützen sollte. Die Nazis haben Paris dennoch erreicht, und zwar über den Umweg über Belgien. Metapher?

  • Alien: Earth (Official Trailer)
    (c) Disney

  • Streben nach Unsterblichkeit

    Zentrale Figur ist Wendy, Prototyp eines synthetischen Wesens, dem das Bewusstsein der jungen, sterbenskranken Macy übertragen wurde. Sie „gehört“ dem Konzern Prodigy, der sich mit anderen vier Konzernen die Erde teilt. Die auf dem Gebiet von Prodigy abgestürzte „Maginot“ gehört Wayland-Yutani, einem der anderen vier Konzerne, der seine Fracht aus dem Weltraum natürlich zurückhaben will. Das ist in etwa der Plot. 

    Aber wie erwähnt, geht es um sehr viel mehr. Es geht u. a. um die Frage, was einen Menschen ausmacht, ab wann „eine Maschine keine Maschine“ mehr ist. Es geht um Parasitentum unterschiedlichster Art, es geht um Transhumanismus und die Zukunft der Menschheit, es geht darum, dass sich einige wenige große Konzerne die Welt aufteilen, und  es geht um das Streben nach Unsterblichkeit, den Wunsch nach Unendlichkeit und das Ende, das stets präsent ist, das unerwartet und unausweichlich kommt.
     

  • Ein völlig anderer Charakter als Ellen Ripley, aber gleichermaßen überzeugend: Die us-amerikanische Schauspielerin Sidney Chandler hat die Hauptrolle in „Alien: Earth“ als Hybrid Wendy. Foto: Disney
  • Und der Soundtrack?

    Der Soundtrack überrascht gleich in der ersten Episode mit zweierlei: Es gibt klangliche Zitate aus dem ersten „Alien“-Film gleich zu Beginn und – Achtung – „Mob Rules“ von Black Sabbath am Ende. Dazwischen die Musik von Jeff Russo, mal dramatisch, mal als Soundscape. „Klang“ spielt durchgehend eine große Rolle in den bisherigen Episoden und die Bandbreite reicht von beiläufigen Songs bis hin zur „Sprache“ der extraterrestrischen Wesen.

    Fazit: Drehbuchautor Noah Hawley und alle, die für diese Serie verantwortlich sind – darunter ist auch Ridley Scott als einer der Produzenten – haben alles richtig gemacht. Sie nehmen die Vorgaben ernst, bleiben dem Ausgangsmaterial treu und stricken dennoch etwas Neues daraus, mit einer Geschichte, die sich auf einen Höhepunkt hinentwickelt, der nicht absehbar ist. 

    Das Casting ist sehr gut, wobei vor allem Sidney Chandler als Wendy und Babou Ceesay als Morrow hervorstechen.

    „Alien: Earth“ ist eine jener Serien, die man mehrfach schauen wird, wegen des Xenomorphs, der exzellent in Szene gesetzt ist, wegen der vielen erwähnten Denkanstöße oder wegen der spannenden, sich aufbauenden Geschichte. „Alien: Earth“ ist vielleicht das Highlight des Jahres, vielleicht, weil „Predator: Badlands“ im November kommt und – dem Trailer zufolge – extrem gut und konkurrenzfähig aussieht.

  • Links

    „Alien: Earth“ Offizielle Seite: https://www.fxnetworks.com/shows/alien-earth
    „Alien: Earth“ bei IMDb: https://imdb.com/de/title/tt13623632/
    Doku über „Alien“ auf ARTE: https://www.arte.tv/de/videos/115548-000-A/alien-meisterwerk-aus-dem-we…
    salto.music-Review „Alien: Romulus“: https://salto.bz/de/article/19082024/alien-romulus

  • Kinder in Körpern von Erwachsenen: Das Peter-Pan-Thema zieht sich auf verschiedenen Ebenen durch die erste Staffel von „Alien: Earth“. Foto: Disney
  • Movies & Streamingseries 2025 – Reviewed & Ranked – Best to Worst

    2025:

    1. Daredevil: Born Again (1. Staffel) (03/25)
    2. Alien: Earth (Staffel 1) (12/08/25)
    3. Thunderbolts* (05/25)
    4. Star Trek: Strange New Worlds (Staffel 3) (17/07/25)
    5. Sinners (04/25)
    6. Predator: Killer of Killers (06/25)
    7. The Fantastic Four: First Steps (07/2025)
    8. F1 (06/2025)
    9. Nosferatu (01/25)
    10. Ironheart (Staffel 1) (24/06/25)
    11. La città proibita (03/25)
    12. Captain America: Brave New World (02/25)
    13. Star Trek: Sektion 31 (01/25)

     

    Auf dem „Einkaufszettel“:

    • Eyes of Wakanda (Staffel 1) (06/08/25)
    • The Batman 2 (02/10/25)
    • Marvel Zombies (Staffel 1) (03/10/25)
    • Dracula: A Love Tale (Jean Luc Besson) (30/10/25?)
    • Predator: Badlands (11/25)
    • Frankenstein (11/25)
    • Wonder Man (Staffel 1) (12/2025)
    • Star Trek: Starfleet Academy (??/26)